Wien - Schubert als Meister der kleinen Form, vielleicht auch als Schöpfer himmlischer symphonischer Längen zu verehren und ihn zugleich als Dramatiker zu belächeln - das ist noch immer eine häufig anzutreffende Haltung. Nikolaus Harnoncourt, der sich mit besonderer Hingabe Schuberts Opern gewidmet hat, brachte nun ein weiteres Stiefkind des Repertoires in den Musikverein:

Die 1823 uraufgeführte Schauspielmusik zu "Rosamunde" ist zwar dem Namen nach überaus bekannt, vor allem wegen eines liedhaften B-Dur-Andantinos. Dennoch erklingt die Gesamtheit der zehn Nummern einschließlich dreier Chorsätze und einer solistischen Romanze höchst selten, und selbst die gängige Studienpartitur enthält nur Ausschnitte.

Wenn man weiß, dass der Komponist die Stücke innerhalb weniger Wochen zusammengestellt und in alter Tradition auch Bestehendes dabei einbezogen hat, verwundert nicht eine gewisse Heterogenität: Genreszenen stehen neben einem hochdramatischen symphonischen Entwurf wie der ersten Zwischenaktmusik, die immer wieder als möglicher vierter Satz der "unvollendeten"
h-Moll-Symphonie ins Spiel gebracht wurde.

Harnoncourt fand auch diesmal den Schlüssel für eine zwingende Aufführung, indem er die Handlung knapp wiedergab und die beiden Hauptpartien des Dramas ansatzweise von Mitgliedern des wunderbaren Arnold Schoenberg Chors verkörpern ließ. Und schon war Raum für ein virtuelles Theater, den die Musik erfüllte und dabei Sinn entlud. Das Musizieren des Dirigenten mit den Philharmonikern wurde dabei wie schon des Öfteren zum Glücksfall, bei dem die orchestrale Zauberharfe mit allem vollen Luxus glänzte, doch stets im Dienst des verdeutlichenden Ausdrucks stand.

Ganz nah an dieser theatralen Dramatik wirkte in diesem Zusammenhang die "Unvollendete": klanglich und dynamisch subtil aufgefächert, mit jenen abgrundtiefen Zerfurchungen, wie sie Schubert notiert hat, und Seelenbebungen, die durch beide Sätze als unruhig pochende Herzschläge hörbar wurden - mit atemlosen Zäsuren und Kantilenen von schonungslos fragiler Schönheit. (Daniel Ender, DER STANDARD, 11.11.2014)