Foto: derstandard.at

Erst kürzlich hat sich ein Tiroler Student auf derStandard.at zur Identität und der Reduzierung auf seine Herkunft geäußert. Die Wogen im Forum gingen hoch. Der Tenor: Die Tiroler seien das Problem, sie seien die Hinterwäldler.

Ich würde das Phänomen des Fragens "Woher kommst du denn wirklich?" unter keinen Umständen auf Tirol reduzieren, da es durchaus gängige Praxis ist – und zwar in allen Bundesländern, in Dörfern wie in Städten.

Trachten nach Bestätigung der Vorurteile

Und in der Tat – mag es interessant sein und legitim erscheinen. Hilfreich sein, den Erstkontakt intensivieren. Aber eben auch diskriminieren, fremd sein festschreiben. Nämlich dann, wenn die Frage nicht mehr eine Frage ist und nach Antworten sucht, sondern ausschließlich nach Bestätigung trachtet. Nach Bestätigung der eigenen Vorurteile, Stereotypen und Rassismen. Dann klingt der Dialog folgendermaßen:

- Woher kommen Sie?

- Aus Wien. Wien 10.

- Aha, aber ich meine von wo Sie eigentlich herkommen.

- Achso ... das meinen Sie, ich bin eigentlich aus Oberösterreich, in Leonfelden geboren und dort aufgewachsen.

- Nein ... ich meinte ... ursprünglich.

Das Gespräch ließe sich noch lange weiter führen. Manche geben verzweifelt auf, andere lassen nicht locker mit ihrer Verortung der Identität, bis sie schließlich nach der Herkunft der (Groß)-Eltern fragen. Und erst wenn dies nicht in Österreich liegt, dann folgt ein erleichtertes Aufatmen.

Wusste man es doch, dass die Person mit der anderen Hautfarbe, mit dem Kopftuch, mit dem Bart, oder mit dem "fremdländisch klingenden" Namen nicht wirklich von hier sei. Die Schublade wird geschlossen, die Person und all ihre Facetten verschwinden gleich mit. Was bleibt ist ein auf äußere Merkmale und deren Assoziationen reduziertes Gegenüber.

Fremdverortung

Mit diesen Fragen wird den Menschen vermittelt, dass sie nicht hierher gehören. In diesem kurzen Dialog kommt es zu einer Fremdverortung auf zwei Ebenen. Zum einen ist es eine fremde Person welche die Zuschreibung vornimmt, zum anderen wird man in der Definition und durch das Infrage stellen als Fremd markiert.

Das Fremde ist konstruiert, so Philosophin Mona Singer: "Fremde kennt man nicht, Fremde erkennt man". Fremde werden erkennbar gemacht, indem man ein bestimmtes Zeichen zu etwas Fremden erklärt.

Um Gottes Willen, Vollbart!

Und genau diesem Muster folgte Ednan Aslan von der Uni Wien, als er auf Einladung des Stadtschulrates 160 Direktoren Anzeichen für den Beginn einer Radikalisierung muslimischer Schüler nennen sollte: Da nannte er unter anderem den Wuchs eines Vollbart oder das Tragen eines Kopftuches oder die Verwendung von Begriffen wie "yani" (nämlich), "achi" (mein Bruder), "maschaallah" (um Gottes Willen) – die Übersetzungen stammen von mir, denn Herr Professor ließ die Begriffe unübersetzt und damit auch sehr fremd stehen.

Den Lehrern wurde also geraten, auf Wörter zu achten, deren Übersetzung und Bedeutung sie aber gar nicht kannten, auch nicht, dass sie zur Alltagssprache vieler muslimischer Jugendlicher zählen. Dass der zweite Referent dieser "Informationsveranstaltung", Herr Zwettel vom BVT, anschließend vor einer Panikmache warnte und verdeutlichte, dass die Thematik der Radikalisierung die breite Masse der muslimischen Schüler in Österreich (insgesamt ca. 120.000), nicht betreffe, sondern lediglich 10 Schüler (von denen jeder einer zuviel ist) in Syrien gelandet sind, erreichte nicht mehr jeden der Teilnehmer.

Assoziation bei Kopftuch: IS

Eine der Folgen dieser aufgeheizten Stimmung ist zum Beispiel diese Begebenheit: Eine junge Schülerin, die sich kürzlich dazu entschloss, ein Kopftuch zu tragen, wurde von ihrer Lehrerin mit den Worten drangsaliert, dass sie bei ihrem Anblick nur mehr an die IS denke.

Reduzierung auf religiöse Identität ist eine Gefahr

Die Reduzierung des Menschen auf seine religiöse Identität (genau das, was auch die radikalen Religiösen tun) birgt eine unermessliche Gefahr für das gesellschaftliche Klima in einem Land. Es entsteht, was in Europa als bereits überwunden galt: Menschen aufgrund ihrer religiösen Gesinnung unter Beobachtung zu stellen, und dies an ihrer Kleidung und Sprache fest zu machen. Dies öffnet Tür und Tor für Missbrauch, Generalverdacht und Vernaderung. (Amani Abuzahra, derStandard.at, 10.11.2014)