Als Giorgio Napolitano 2006 Staatspräsident wurde, war er fast 81 Jahre alt - kein besonders hohes Alter für ein italienisches Staatsoberhaupt, denn in der römischen Gerontokratie gilt man bis weit in die 60er als politische Nachwuchshoffnung; und außerdem ist das Amtsverständnis eines der noblen Alterswürde und der Weisheit. So hatte es das Parlament, das den Präsidenten für eine siebenjährige Amtszeit wählt, stets gehalten.

Doch Napolitano war der erste "nonno" (Großvater) der Republik, der nicht nur gütig lächelte, winkte und repräsentierte, sondern auch streng sein und jungen Rotzlöffeln wie Silvio Berlusconi über den Mund fahren konnte. Im "Interesse Italiens" - und dezidiert gegen den Rat seiner Ärzte - erklärte sich Napolitano 2013 bereit, als erster Präsident für eine zweite Amtszeit gewählt zu werden. Kein anderer konnte die gewohnheitsmäßig außer Rand und Band agierenden Politiker besser bändigen.

Verständlich, dass Napolitano - nun, mit 89 Jahren - müde ist und zurücktreten will. Es ist ein guter Zeitpunkt: Berlusconi hat sich selbst an die Wand gefahren; der 39-jährige Jungspund Matteo Renzi scheint das Geschäft vom Regieren tatsächlich halbwegs zu beherrschen - solange ihn die Gewerkschaften lassen; und das Parlament scheint, zumindest in Ansätzen, erstmals seit Jahrzehnten kein tobender Kindergarten mehr zu sein. Alles Entwicklungen, die ohne Napolitano kaum möglich gewesen wären. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 10.11.2014)