Sotschi/Wien - In Entenhausen trägt Schach-Weltmeister Magnus Carlsen den Namen Makspuls Clarsyn und ist ein richtiger Unsympath. Pünktlich zum Start des WM-Duells zwischen Carlsen und seinem indischen Herausforderer Viswanathan Anand am Samstag in Sotschi erscheint in Norwegen ein neues Donald-Duck-Heft. Das Thema des Comics: Ein Schach-Duell seines Alter Ego gegen Donald Duck.

Im vorigen Herbst gewann Carlsen als Herausforderer souverän mit 6,5:3,5 und ließ dem Figurenkünstler Anand in dessen Geburtsstadt keine Chance. Mit 22 Jahren war Carlsen einer zweitjüngste Weltmeister der Schachgeschichte, an Selbstvertrauen mangelt es ihm vor dem Rematch nicht: "Ich sehe mich als Favorit, wenn ich gut spiele."

Carlsen zu Gast in Entenhausen.

Die Einführung in das Enten-Universum ehre ihn. "Seitdem ich drei Jahre alt bin, bin ich ein großer Fan. Und es haben ja nicht alle die Möglichkeit, Teil ihrer Lieblingsserie zu sein", sagte der 23-jährige Carlsen, der den Autor sogar bat, ihn möglichst unsympathisch darzustellen: "Einzige Bedingung war, dass ich ein paar Sticheleien gegen meine Konkurrenten reinbringen konnte."

Es dürfte keine Überraschung sein, wenn die Schach-Ausgabe des Comic-Taschenbuchs in Norwegen zum Bestseller wird. Carlsen ist in seiner Heimat ein Superstar. Ob Talkshows, Einladungen ins Königshaus oder Werbe-Auftritte - der oft so unnahbar wirkende Weltmeister ist in dem eigentlich wintersportverrückten Land einer der größten Sportprominenten.

Norwegen fiebert

Die Übertragungen der WM-Matches im vergangenen Jahr erreichten Rekordquoten. Teilweise saß das halbe Land vor dem Fernseher, Schach erreichte ungeahnte Popularitätswerte. In diesem Jahr ist es nicht anders. Das staatliche Fernsehen NRK überträgt alle Partien des bis zum 28. November angesetzten Duells live, seit Tagen berichten Dutzende norwegische Journalisten aus der Austragungsstadt Sotschi. Alles andere als eine erfolgreiche Titelverteidigung wäre eine nationale Enttäuschung.

Davon beeinflussen lassen will sich Carlsen aber nicht. Im Höhentrainingslager bereitete er sich auf das Duell vor, doch im Gegensatz zum vergangenen Jahr liegt der Druck dieses Mal auf ihm. Zumal es sportlich für das Model eines internationalen Bekleidungsunternehmens in diesem Jahr nicht nur rund lief. Einige überraschende Niederlage zehrten an Carlsen.

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Magnus Carlsen erreicht Sotschi: "Sehe mich als Favorit, wenn ich gut spiele."
Foto: ap/lebedev

Den Nimbus des Shooting-Stars der Szene hat der Norweger auch verloren. Der noch ein Jahr jüngere Italiener Fabiano Caruana hat sich in diesem Jahr bis auf Platz zwei der Weltrangliste vorgespielt. Nur 24 Elo-Punkte liegt er hinter dem amtierenden Weltmeister und hätte diesen nach über vier Jahren an der Spitze sogar beinahe als Nummer eins abgelöst. Beim Turnier in St. Louis vor knapp zwei Monaten deklassierte er Carlsen mit einem Vorsprung von drei Punkten. Immerhin: Carlsen krönte sich 2014 auch zum Weltmeister im Blitz- und Schnellschach.

Anands große Karriere schien dagegen vor Jahresfrist zu Ende, doch er kehrte im März 2014 in die Schacharena zurück. Mit 44 Jahren siegte der Inder überraschend im WM-Kandidatenturnier. Damit qualifizierte sich der fünffache Weltmeister erneut für den Titelkampf - 19 Jahre nach seinem ersten WM-Duell 1995 gegen Garri Kasparow. "Chennai ist ein abgeschlossenes Kapitel", sagte Anand: "Sotschi ist ein neues Spiel, eine neue Herausforderung." Vor allem aus psychologischer Sicht ist die Ausgangslage diesmal leichter für ihn. Der Druck im vergangenen Jahr vor den heimischen Fans und die Bürde des Titelverteidigers schienen ihn zu lähmen.

Doch auch diesmal wird es spannend sein zu sehen, wie der deutlich ältere Herausforderer die physischen Anstrengungen meistert. Der durchtrainierte Carlsen setzt auch auf stundenlange Begegnungen, in denen er seine körperlichen Vorteile ausspielen kann. Im vergangenen Jahr schien Anand darauf nur bedingt vorbereitet gewesen zu sein. Gleich mehrmals machte er in der Endphase der Partien entscheidende Fehler.

Langes Zögern des Champions

Die WM geht über zwölf Partien, die immer um 15.00 Uhr Moskauer Zeit (12.00 Uhr MEZ) beginnen. Nach jeweils zwei Spielen gibt es einen Ruhetag. Steht es am Ende 6:6, muss der Tiebreak mit verkürzter Bedenkzeit entscheiden. Die WM-Börse in Höhe von 1,5 Millionen US-Dollar wird zwischen Sieger und Verlierer im Verhältnis 60:40 geteilt.

Carlsen hatte erst wenige Stunden vor Ablauf einer vom Weltverband FIDE gesetzten Frist den Vertrag für die Revanche mit Anand unterzeichnet. "Es ist ein seltsamer Zeitpunkt für eine Weltmeisterschaft in Russland", sagte der 23-Jährige: "Zumal ja kein Russe mitspielt."

Die angespannte politische Lage im Verhältnis zu Russland, sowie und die deutliche Kürzung des Preisgeldes hatten ihn zögern lassen - erst nach Rücksprache mit der Regierung in Oslo sagte er zu. (sid/APA/red - 7.11. 2014)