Anmeldungen zum Redewettbewerb "Sag’s Multi!" noch bis 10. November.

Foto: VWFI/Magdalena Possert

Jugendliche machen bei Redewettbewerben oft zum ersten Mal die Erfahrung, dass sie sich nicht für ihre Sprache schämen müssen. Beim Redewettbewerb "Sag’s Multi!" können mehrsprachige Mädchen und Buben aus ganz Österreich mit der Muttersprache Erfolg haben. Sie erfahren, dass ihre Muttersprache der deutschen Sprache gleichgestellt ist, zu ihnen gehört, sie ausmacht. Zu diesen Jugendlichen gehört Natasha Ghulam.

Mehrsprachigkeit vervollständigt

"Dieser Wettbewerb bedeutet mir sehr viel, mehr als ich mit diesen Worten auszudrücken vermag", erzählt Ghulam. "Zu Beginn des Redewettbewerbs habe ich meine erste/zweite Muttersprache Urdu ausgeblendet, richtig geschämt habe ich mich. Ich dachte, ich wäre besser dran, wenn ich genauso wäre wie die anderen: Nur deutschsprachig, möglichst weiß, normal - unauffällig eben. Doch dieser Wettbewerb hat mir die Augen geöffnet. Ich habe erkannt, dass meine Muttersprache Urdu mich auf eine ganz andere Weise ausmacht und mich vervollständigt. Ohne Urdu bin ich nicht komplett. Ohne Deutsch ebenso wenig." Für die Schülerin waren die Erfahrungen beim Wettbewerb ein "Meilenstein".

Ghulam ist eine von bisher 75 Gewinnerinnen und Gewinnern. Initiiert hat "Sag’s Multi!" der Verein Wirtschaft für Integration im Schuljahr 2009/2010. Anmeldungen für den Wettbewerb 2014/15 sind noch bis 10. November möglich.

Was als Wiener Redewettbewerb begonnen hat, wurde im dritten Jahr auf ganz Österreich ausgeweitet. Seither haben Schülerinnen und Schüler aus acht Bundesländern – die Ausnahme bildet Kärnten – am Wettbewerb teilgenommen. Sie kommen aus Kooperativen Mittelschulen, Allgemeinbildenden höheren Schulen, Berufsbildenden höheren Schulen, Handelsschulen und Höheren Technischen Lehranstalten.

" … zeigen, was ich in beiden Sprachen kann"

Der Redewettbewerb ist für die Jugendlichen oft die Initialzündung für eine bewusste Beschäftigung mit ihrer Mehrsprachigkeit: "Vor ‚Sag’s Multi!‘ habe ich nicht so viel über meine Muttersprache Serbisch nachgedacht, sondern einfach gesprochen – und das eigentlich nur mit meiner Familie und mit Bekannten. Durch den Wettbewerb kann ich erstmals vor großem Publikum zeigen, was ich in beiden Sprachen kann", sagt der 17-jährige Leobener Stefan Stanković. Ähnlich äußert sich die 16-jährige Andrea Prediscan aus Köflach: "Ich kann erstmals vor Publikum Rumänisch sprechen – das ist etwas ganz Besonderes für mich!"

Identität und Selbstwertgefühl

Den Anstoß zur Teilnahme liefern oft engagierte Lehrerinnen und Lehrer. Sie motivieren die Jugendlichen, unterstützen bei der Ausarbeitung der Reden, geben Tipps zur rhetorischen Gestaltung und Präsentation und fiebern – so wie die Mitschülerinnen und Mitschüler – bei den Reden ihrer Schützlinge mit.

Für Michaela Stary, Professorin am G11 Geringergasse in Wien, profitieren Jugendliche im Hinblick auf ihre Persönlichkeitsentwicklung. "Viele beginnen durch den Wettbewerb erstmals, sich mit ihrer Muttersprache zu beschäftigen. In dieser Phase denken die Jugendlichen viel nach, stellen sich Fragen zu ihrer eigenen Identität und entwickeln ein neues Selbstwertgefühl", sagt Stary.

"… das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein"

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind in Österreich geboren und zwei-, drei- oder mehrsprachig aufgewachsen, andere sind im Kindesalter nach Österreich gekommen und haben hier Deutsch gelernt. Einige sind erst seit kurzem in unserem Land, geflohen vor Gewalt und Kriegen. Etwa der 17-jährige Rohullah Naseri. Er floh als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan nach Österreich. Im März 2014 wurde er im Wiener Rathaus als einer von 15 Gewinnern ausgezeichnet.

Naseri sagt in seiner Finalrede: "Seit meiner Ankunft vor gut einem Jahr lerne ich die deutsche Sprache und zunehmend denke ich auch schon auf Deutsch. Ich habe hier Freunde gefunden und fühle mich sehr wohl. Ich verstehe jetzt die Menschen hier und freue mich, dass sie auch mich verstehen. Das ist für mich das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein."

Naseri, seine Muttersprache ist Dari, lernte Deutsch übrigens in einen unterstützenden Klassenverband eingebettet, schnell im regulären Unterricht. So, und nicht in separierenden Klassen, sollte Spracherwerb stattfinden. (Meri Disoski, daStandard.at, 7.11.2014)