Bild nicht mehr verfügbar.

Konzerne, die ihre großen Gewinne nicht versteuern wollen, nutzen häufig und gern die Steueroase Luxemburg.

Foto: AP

Buchautor Gabriel Zucman.

Foto: Privat

STANDARD: Haben Sie die Enthüllungen zu Steuertricks von Konzernen in Luxemburg überrascht?

Zucman: Nein, überhaupt nicht. Es ist bekannt, dass Luxemburg ausländische Konzerne ansiedeln lässt und ihnen dafür nahezu Steuerfreiheit anbietet. So machen das auch Irland, die Niederlande und einige andere. Verblüffend ist aber immer wieder das Ausmaß: Finanzdaten zeigen, dass Luxemburg eine der aktivsten Steueroasen ist. Das Land hat mehr als andere seine staatliche Souveränität verkauft.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Zucman: Das Großherzogtum verlangt von ausländischen Firmen einen minimalen Beitrag zur Staatskasse. Im Gegenzug können diese Unternehmen mit den zuständigen Ministerien Konstrukte ausverhandeln, die es ihnen ermöglichen, nahezu keine Steuern auf ihre weltweiten Gewinne zu bezahlen. Das ist die völlige Kommerzialisierung der Staatsinteressen, die man normalerweise aus der Karibik kennt. Aber Luxemburg bietet noch mehr: Man kann sich als Unternehmen auch politischen Einfluss kaufen. Das kleine Land hat sich in der EU immer wieder als Fürsprecher großer Konzerne erwiesen, insbesondere aus der Finanzwirtschaft.

STANDARD: In den Fokus rückt nun der neue EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Als Ex-Premier Luxemburgs war er der politische Hauptverantwortliche. Ist er der falsche Mann im Amt?

Zucman: Was auffällt, ist, dass all die problematischen Praktiken dem EU-Parlament und den Regierungschefs bekannt waren. Trotzdem wurde Juncker zum Kommissionschef gemacht. Die Lehre daraus ist, dass das Parlament und die Premierminister künftig eine bessere Personalauswahl treffen müssen. Es gibt eine Unfähigkeit der EU-Institutionen, Politiker zu entsenden, denen die Bevölkerung auch vertrauen kann. Wie sollen die Menschen an Juncker glauben, wenn sie nun sehen, wie sehr er persönlich in die Steuertricks in Luxemburg involviert war? Das ist fatal, weil Steuervermeidung von Großunternehmen eines der zentralen Probleme Europas ist.

STANDARD: Die EU bemüht sich, Steuerschlupflöcher für Konzerne zu schließen. Glauben Sie an einen Erfolg?

Zucman: Ich bin grundsätzlich optimistisch. Die Vergangenheit lehrt aber, dass alles viel zu langsam geht: Seit über 20 Jahren wird in der EU darüber diskutiert, das System, nach dem Unternehmensgewinne errechnet werden, zu vereinheitlichen. Ohne Erfolg. Langsam kam auch das Ende des Bankgeheimnisses: Über zehn Jahre lang wurde versucht, es aufzuweichen, erst jetzt hat man sich geeinigt, es mit 2017 oder 2018 abzuschaffen. Aber auch das war primär darauf zurückzuführen, dass die USA Druck gemacht haben bei dem Thema. In Europa haben sich viele Länder viel zu lange quergelegt. (András Szigetvari, DER STANDARD, 7.11.2014)