Reinhold Mitterlehner war in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts eine junge Hoffnung auf eine modernere ÖVP. Viele versprachen sich von ihm als Generalsekretär des Wirtschaftsbundes (1992-2000) (sozialpartnerschaftlich gemäßigte) Wirtschaftsliberalität mit (relativer) gesellschaftspolitischer Liberalität.

Doch die Jahre der Schüssel-Kanzlerschaft (2000-2006) waren für diesen Typ eines VP-Politikers nicht so günstig. Mitterlehner stagnierte. Erst 2008 wurde er - auf Drängen des oberösterreichischen Landeshauptmannes - Wirtschaftsminister. Nach dem Abgang von Josef Pröll 2011 wäre eigentlich seine Stunde gekommen, aber ÖVP-Chef wurde Michael Spindelegger. Als der in diesem Sommer alles hinschmiss, war Mitterlehner dann das einzig logische Angebot. Inzwischen ist er 58 Jahre alt.

"Junge Hoffnung" ist nicht mehr. Was dann? An Aufgaben mangelt es nicht. Die Volkspartei hat jetzt wieder etwas mehr Luft, weil die Neos gerade heftig daran arbeiten, ihre Chance als bürgerlich-liberale Alternative zu zertrümmern. Aber die ÖVP ist in einigen Bereichen immer noch strukturell unmodern und gestrig. Mitterlehner selbst denkt gesellschaftspolitisch um einiges freier. Seine große und fast einzige Chance ist es, die Wirtschaftskompetenz der Volkspartei wieder glaubhaft zu machen - vor allem angesichts einer erneut drohenden schweren Krise. Als Juniorpartner einer angsterstarrten SPÖ ist das keine leichte Übung. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 7.11.2014)