Kumbaya heißt es in Amerika mit einer Liedzeile, wenn zwei Streitparteien, die einander sonst nicht schonen, auf einmal Töne schönster Harmonie anschlagen. Nach der Kongresswahl sind es Barack Obama und Mitch McConnell, der Präsident und der designierte Mehrheitsführer des Senats, die nach allen Regeln rhetorischer Kunst einen Kumbaya-Moment zelebrieren. Bevor sie sich am Freitag im Weißen Haus treffen, haben beide den Spielraum künftiger Kooperation abgesteckt. Was freilich nichts ändert an den Konfliktfeldern, die die Atmosphäre schon bald wieder aufheizen könnten.
Ein Thema, das den Staatschef und die Spitzen der Konservativen eher verbindet, denn trennt, sind TTIP und TPP, die angepeilten Handelsabkommen mit der EU und der Pazifikregion. Konkret geht es um ein "Fast Track"-Gesetz. Ohne "Fast Track" besitzen Obamas Unterhändler praktisch kein Mandat der Legislative, die Freihandelszonen letzten Endes absegnen muss - der Kongress könnte einen Vertrag nach Belieben zerpflücken, sich ein paar Rosinen herauspicken und über jeden Punkt einzeln entscheiden.
Gemeinsam gegen das Zögern
Und im Senat sind es vor allem die Demokraten, die auf die Bremse steigen. Erst im Jänner verweigerte Fraktionschef Harry Reid dem transpazifischen "Fast Track" die Zustimmung - aus Sorge, Arbeitsplätze könnten nach Asien abwandern. Ein republikanisch dominierter Senat dürfte dem Oval Office in diesem Punkt mehr entgegenkommen als einer, dem Reid vorstand. Auch eine Reform, eine Vereinfachung der Unternehmenssteuer, die McConnell auf seiner Prioritätenliste weit oben ansiedelt, findet neuerdings Zuspruch im Weißen Haus.
Obama gibt sich konzilianter als noch vor wenigen Tagen, wenn er ankündigt, den Kongress höchst formell um grünes Licht für die Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Irak und in Syrien bitten zu wollen. Damit ebnet er den Weg für die erste echte Debatte über die Strategie gegen die IS, seit im August die Bombenabwürfe begannen. Bisher hatte sich der Präsident durch Gesetzesnovellen, wie sie nach dem 11. September 2001 beschlossen worden waren, ausreichend legitimiert gesehen, sodass er eine zusätzliche Autorisierung für überflüssig hielt.
"Was ich nicht tun werde, ist einfach zu warten"
Zankapfel ist und bleibt das Einwanderungsrecht, zugespitzt auf die Frage, was mit schätzungsweise elf Millionen Immigranten geschehen soll, die - oft seit Jahren - ohne gültige Papiere in den USA leben. Da er mit seinem Reformprojekt auf Granit beißen dürfte, sobald der neu gewählte Kongress im Jänner seine Arbeit aufnimmt, will Obama Einzelaspekte des blockierten Paragrafenwerks auf eigene Faust durchsetzen, indem er sich der Brechstange der Verordnung bedient. "Was ich nicht tun werde, ist, einfach zu warten", sagt er und spricht davon, die Deportation von Kindern und Jugendlichen ohne Visum zu stoppen. In Washington wäre es das sichere Ende der kurzen Kumbaya-Phase, wie sich allein schon an McConnells Replik erkennen lässt: "Ich hoffe, er wird es nicht tun, es wäre so, als würde man mit einer roten Fahne vor der Nase eines Bullen herumwedeln." (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 7.11.2014)