Versucht sich in gesetztem Alter in neuem Gewerbe: Woody Allen verkörpert in "Fading Gigolo" den Zuhälter Dan Bongo.

Foto: Filmalden

Regisseur und Schauspieler: John Turturro.

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Wien - John Turturro hat sich in den letzten Jahrzehnten mit etlichen Charakterköpfen als verlässliche Schauspielkraft im US-Kino bewährt. Ob man an den eitlen Bowling-Champion aus The Big Lebowski denkt, an den mit den Nerven flatternden Autor aus Barton Fink oder den Pechvogel aus Robert Redfords Quiz Show, sie alle sind eigenartige Gesellen, ein wenig narrenhaft und damit umso einprägsamer.

Für seine neue Regiearbeit, mittlerweile bereits seine fünfte, hat sich der Italoamerikaner eine ganz besondere Rolle, nun ja, auf den Leib geschrieben. In der Komödie Fading Gigolo verkörpert Turturro die Halbzeit-Blumenfachkraft Fioravante, die sich auf einem neuen Feld versucht: Auf Drängen seines Freundes Murray bietet er sexuelle Dienste an. Bevorzugter Kundenkreis: reifere Damen.

Auch Murray ist kein naheliegender Kandidat für den Part des Zuhälters. Turturro hat niemand Geringeren als Woody Allen dafür gewinnen können. Mit dem klingenden Leihnamen Dan Bongo führt er - eigentlich ein Antiquar, der pleiteging - seinen Kumpel dem neuen Kundenkreis zu. Die beiden stellen ein echtes "odd couple" dar, und so kommt man nicht umhin zu fragen, warum sich die beiden New Yorker nicht schon früher gefunden haben.

Friseur als Helfer

"Es gab ein Projekt von Woody, bei dem ich eine Hauptrolle spielen sollte," erzählt Turturro im STANDARD-Interview, "aber daraus wurde nichts. Doch zumindest wusste ich seitdem, dass er mich mag." Wind von der Filmidee bekam Allen beim Friseur, den beide Herren besuchen: "Ich wollte das gar nicht, denn ich hatte ja noch kein Skript. Woody meinte dann aber, warum schreibst du es nicht einfach, und ich gebe dir Feedback. Das war der Beginn. Es brauchte Zeit, Woody gefielen Teile, und so ging es über zwei Jahre hinweg weiter."

Am Ende ging alles gut. Das Resultat ist eine leichte, entspannte, aber auch persönliche New-York-Komödie, die nicht nur von seinen beiden Hauptdarstellern, sondern auch von einem ausgesuchten Ensemble von Freunden profitiert, zu dem Darstellerinnen wie Sharon Stone, Sofia Vergara und Vanessa Paradis (alle drei darf Turturro beehren) und Liev Schreiber als eifersüchtiger chassidischer Polizist gehören.

Von Männerfantasien will Turturro, der die delikaten Zusammentreffen mit Zurückhaltung, aber immerhin in knackiger Unterwäsche vollführt, nicht sprechen: "Der flotte Dreier von Sharon ist vielleicht nur eine Fantasie, aber ich bin mir sicher, dass auch schöne Frauen dieses Gefühl von Einsamkeit verspüren ... Sie will vielleicht keinen Geliebten und kommt eines Tags auf diese ausgeflippte Idee. Und wenn ich jemand gecastet hätte, der 15 Jahre älter als sie wäre, dann hätte ich Schwierigkeiten gehabt, Geld zu bekommen."

Turturro ist ein gut gelaunter, mitteilsamer Gesprächspartner - nur dass er das Interview stehend absolviert, wirkt leicht verschroben ("Ich saß schon so viel herum!"). Begeistert erzählt er davon, wie sehr er flamboyante Komödien rund um Prostitution verehrt: "Asphalt-Cowboy, Die Nächte der Cabiria, Belle de Jour, Irma la Douce ... Schon als Kid war ich begeistert von diesem Genre."

Am stärksten interessiert habe ihn die Frage, was sich in solchen Begegnungen abspielt. "Es muss ja mit einer gewissen Intimität vonstattengehen, möglicherweise auch schmerzhaft sein. Warum verspüren die Menschen so viel Hunger danach? Nicht jeder will einen Liebhaber - wenn man einen Liebhaber hat, muss man mit dieser Person auch reden; wenn man eine solche Verabredung hat, ist es eine Konvention."

Wie ernst es Turturro mit solchen Überlegungen ist, lässt sich in Fading Gigolo an der Begegnung Fioravantes mit der chassidischen Frau Avigal überprüfen, die dem Film eine Wendung nehmen lässt. Plötzlich geht es um wirkliche Nähe zwischen zwei Figuren: "In einem Film, in dem es um Sex geht, muss es auch Religion geben. Es ist nun einmal so, dass gerade religiöse Leute nebenbei Sex haben." Turturro schwärmt vor allem von Vanessa Paradis, die mit einem ungewohnt introvertierten Spiel überrascht. "Sie ist zum Herzen des Films geworden, das haben auch alle am Set erkannt."

Und was hat Woody Allen am Ende von dem Film gehalten? "Ich habe ihm den Rohschnitt gezeigt, und er sagte, er würde brutal sein. Ich sagte, ich hätte nichts anderes erwartet. Dann sagte er, er mochte, was er sah - ein paar Kleinigkeiten schickte er mir dann später per E-Mail." (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 7.11.2014)