Schon seit Jahren haben die Demokraten den Midterm-Wahlen 2014 mit Schrecken entgegengeblickt. Im sechsten Jahr einer Präsidentschaft verliert die Regierungspartei meistens, und Demokraten tun sich bei Zwischenwahlen allgemein schwer, ihre Kernwählerschaft - Jüngere, Schwarze, Latinos - zu mobilisieren. Diesmal kam dazu, dass im Senat viel mehr Demokraten als Republikaner zur Wahl standen und einige von ihnen erst 2008 gemeinsam mit Barack Obama hineingewählt wurden - in traditionell republikanische Staaten.

Und dennoch kam es für die Demokraten dann noch schlimmer als befürchtet. Für die vernichtende Niederlage vor allem im Senat, dessen Rückeroberung in zwei Jahren dadurch viel schwerer geworden ist, aber auch den Verlust wichtiger Gouverneursposten trägt Obama selbst die Verantwortung. Seine Unpopularität lastete wie Blei auf vielen Kandidaten und kostete einige Sitze, die für Demokraten gewinnbar gewesen wären.

Es war weniger Obamas konkrete Politik, der diese Ohrfeige der Wähler galt, als seine Persönlichkeit: seine Abgehobenheit, die es ihm so schwer macht, mit einfachen Bürgern zu kommunizieren, seine fehlende Empathie und Führungsstärke. Obama hat selbst seine treuesten Anhänger enttäuscht. Und das zählte an der Wahlurne mehr als die ebenso starke Unzufriedenheit mit den Republikanern und die doch deutlich verbesserte Wirtschaftslage.

Der Obama-Faktor bei den Wahlen steht auch einer Wiederbelebung seiner Präsidentschaft in den letzten zwei Jahren im Wege, wie sie etwa Bill Clinton - nach einem besseren Ergebnis bei den Kongresswahlen - schaffte. Obama kann den Kurs ändern, er kann sogar sein zunehmend dysfunktionales Küchenkabinett austauschen. Aber er kann nicht aus seiner Haut heraus. Dass er seinen Kampfgeist, seine Visionen wiederentdeckt, ist derzeit nicht zu sehen.

Auch der anlaufende Präsidentschaftswahlkampf 2016 wird ihn weiter schwächen. Denn wer immer für die Demokraten ins Felde zieht, ob Hillary Clinton oder nicht, wird sich vom unbeliebten Amtsinhaber möglichst weit distanzieren.

Aber auch für die Republikaner ist nicht alles eitel Wonne. Eine radikale Wende nach rechts werden sie weiterhin nicht durchsetzen können. Die demokratische Minderheit im Senat kann Gesetze blockieren, und Obama hat das Vetorecht. Wenn der neue Senatspräsident Mitch McConnell zu stark in die Mitte rückt, um seine Regierungsfähigkeit zu beweisen, dann droht ein Aufstand der Tea Party. Diese hat sich im Wahlkampf zwar eher still verhalten, aber gerade der Triumph der Partei wird die Erwartungen der erzkonservativen Basis beflügeln - und so auch die Zerrissenheit der Partei.

Für 2016 steht sie vor dem Dilemma, dass jeder Kandidat, der konservativ genug ist, um in den republikanischen Vorwahlen zu bestehen, kaum Chancen auf eine breite Mehrheit hat.

Denn die US-Wählerschaft ist trotz dieser Wahlen nicht weiter nach rechts gerückt. Das Land gibt sich bloß noch polarisierter, noch politikverdrossener und noch zorniger über seine Eliten. Zwei weitere Jahre Stillstand in Washington, begleitet von einem aggressiven Wahlkampf, können dieses Gefühl nur weiter verschärfen.

Obama ist einst angetreten, diese Spaltung zu überwinden; er ist daran grandios gescheitert. Bei allen echten Erfolgen seiner Präsidentschaft droht dies sein Haupterbe zu werden. (Eric Frey, DER STANDARD, 6.11.2014)