Bild nicht mehr verfügbar.

Outing aus dem Urlaub: Ildikó Vida.

Foto: APA/MTI/LAJOS SOOS

Mehr als zwei Wochen lang hat Ildikó Vida, die Leiterin des nationalen ungarischen Finanzamts (NAV), zu den schwerwiegenden Vorwürfen geschwiegen - und sich über den Flughafen Wien-Schwechat in ein exotisches Urlaubsziel zurückgezogen. Am Mittwochmorgen erschien sie überraschend auf der Website des Regierungssprachrohrs Magyar Nemzet mit Interview. Das Bild zeigte sie braungebrannt und entspannt lächelnd.

"Ja", antwortete sie knapp auf die Frage des stellvertretenden Chefredakteurs Péter Csermely, ob sie unter jenen Personen aus Ungarn sei, die die USA mit einem Einreiseverbot belegt haben. "Ich war und bin an keinerlei korrupten Vorgängen beteiligt", beteuerte sie zugleich. Sie sehe auch nicht ein, warum sie an einen Rücktritt denken solle.

Mehrwertsteuer-Karusselle

In Washington sieht man das allerdings anders. Mitte des Vormonats hatte der US-Geschäftsträger in Budapest, André Goodfriend, bekanntgegeben, dass sechs ungarische Regierungsoffizielle und Geschäftsleute nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Sie seien in Korruptionsfälle zum Schaden amerikanischer Unternehmen verwickelt. Namen hatte er keine genannt. Der rechtsnationale Regierungschef Viktor Orbán und Wirtschaftsminister Mihály Varga, der die Dienstaufsicht über das Finanzamt innehat, taten so, als ob sie nicht wüssten, wer auf der US-Watchlist steht.

Bei den Korruptionsfällen handelt es sich nach Medienberichten um grenzüberschreitende Mehrwertsteuer-Karusselle in der Lebensmittelindustrie, die Steuerausfälle in Euro-Milliarden-Höhe verursacht haben sollen. Der Finanzbeamte András Horváth hatte im Vorjahr derartige Missbräuche aufgedeckt. Seine Ermittlungen seien aber auf Anweisung von ganz oben gestoppt worden, behauptete er.

Kontrollrechte fehlen

Tatsächlich wurde Horváth wenig später entlassen. Die Akten legte er der Staatsanwaltschaft vor, die ein Verfahren einleitete, das sie dann verschleppte. Auch diese Behörde wird von Gefolgsleuten Orbáns kontrolliert, angeführt vom Obersten Staatsanwalt Péter Polt. Mit Ildikó Vida besteht nun Gewissheit über zumindest einen Namen auf der peinlichen Watchlist. Nach Informationen des Webportals vs.hu befinden sich darauf noch weitere drei Spitzenbeamtinnen des nationalen Finanzamts. Die Parteien der demokratischen Opposition verlangten am Mittwoch vehement den Rücktritt Vidas. Die Opposition ist allerdings schwach, fragmentiert und im Orbán-System zahlreicher Kontrollrechte beraubt. Das weitere berufliche Schicksal der betroffenen Finanzamtsspitzen liegt nun in Orbáns Hand.

Doch auch der übermächtige Regierungschef hatte zuletzt Unsicherheit gezeigt. Als sein jüngstes Vorhaben, eine Art Strafsteuer für die Internet-Nutzung, spontane Massenproteste auf sich zog, ließ er die Idee vorerst fallen. Engagierte Bürger riefen am Mittwoch über Facebook für den Sonntag zu einer neuen Demonstration auf, um den Rücktritt Vidas zu fordern. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 6.11.2014)