Wien/Innsbruck - Nachdem Innsbrucker Juristen im STANDARD das Ergebnis einer Rechtsprüfung veröffentlichten, der zufolge Österreichs Sonderschulen gegen die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung - und damit gegen Völkerrecht - verstoßen, meldete sich am Dienstag die Bildungsministerin zu Wort: Sie widerspreche dieser Ansicht, weil Eltern die Wahlfreiheit hätten, ihre Kinder auch in Regelschulen unterzubringen, sagte Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) vor dem Ministerrat.

Der Verfassungsjurist Karl Weber lässt dieses Argument nicht vorbehaltlos gelten: "Das würde voraussetzen, dass entsprechende Schulformen vorhanden sind, in denen Kinder mit Behinderung aufgenommen werden können. Viele Regelschulen sind dazu jedoch noch nicht in der Lage, weil entsprechende Einrichtungen und Personal fehlen."

Sonderschul-Abschaffung "verfassungsrechtlich unmöglich"

In der Steiermark werden bereits 85 Prozent der Kinder mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet. Auch wenn man wollte, könne das Land Sonderschulen jedoch nicht gänzlich abschaffen: "Aufgrund der Wahlfreiheit der Eltern ist das verfassungsrechtlich nicht möglich", sagt der zuständige Landesrat Michael Schickhofer (SPÖ). Auch Tirols Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) sieht die Ministerin am Zug: "Sie muss erste Schritte setzen. Regelungs- wie auch Finanzierungskompetenz liegen beim Bund."

In Österreich gibt es derzeit 310 Sonderschulen, davon 108 in Niederösterreich. Bis ins Jahr 2020 will Heinisch-Hosek die Sondereinrichtungen "sukzessive abbauen" - Experten wie der Behindertenanwalt Erwin Buchinger (SPÖ) sind skeptisch, ob sich das Vorhaben umsetzen lässt, weil zu wenig dafür getan werde.

Wie viele Kinder mit Behinderung in Regelschulen unterrichtet werden, ist je nach Bundesland sehr unterschiedlich - in Tirol und Niederösterreich sind es noch weniger als die Hälfte. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 5.11.2014)