Die "an.schläge" feiern gemeinsam mit der Partyreihe Club Fiorucci.

Die aktuelle Ausgabe der "an.schläge".

Foto: an.schlaege

dieStandard: Was ist das Besondere an den "an.schlägen"?

Lea Susemichel: Dass es uns nach wie vor gibt nach knapp 31 Jahren (lacht). Es gibt im deutschsprachigen Raum kein anderes feministisches Magazin, das regelmäßig so häufig, nämlich fast monatlich, erscheint. Selbst die "Emma" erscheint nur zweimonatlich. Inhaltlich macht uns aus, dass wir sehr breit gefächert sind, also nicht nur explizit feministische Themen behandeln, sondern die Frauenperspektive auf die unterschiedlichsten gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Phänomene zeigen.

Fiona Sara Schmidt: Dass wir ein Kollektiv sind, das von großem ehrenamtlichem Engagement geprägt ist. Wir sind ja nur zwei Halbtagsangestellte, aber im Redaktionskollektiv arbeiten rund zehn Frauen regelmäßig mit, zehn bis 15 weitere bilden auch über Wien hinaus das Gesamtteam. Wir haben auch viele Leserinnen in den Bundesländern und in Deutschland.

dieStandard: Wie haben sich die "an.schläge" in 30 Jahren verändert?

Susemichel: Die Veränderung ist nicht so erwartbar verlaufen. Anfangs waren wir ein aktivistisch geprägtes, szenezentriertes Bewegungsblatt. Wir waren aber auch akademisch, weil es viele Filmwissenschafterinnen in der Redaktion gab, was sich etwa in einer avantgardistischen Bildsprache niedergeschlagen hat. Grundsätzlich haben zu allen Zeiten unterschiedliche Frauen mit ihren unterschiedlichen Handschriften die "an.schläge" geprägt.

Schmidt: Es ist sicher auch eine Professionalisierung eingetreten mit den Jahren. Früher hat die Redaktion ja auch die Grafik und sogar den Versand selbst übernommen. Das ist jetzt ausgelagert.

Susemichel: Ja, und die Artikel entsprechen viel stärker klassisch journalistischen Kriterien. Früher gab es mehr Erfahrungsberichte, zum Beispiel von Demos, die Teilnehmerinnen geschrieben haben.

Schmidt: Dafür gibt es heute feministische Blogs.

dieStandard: Was sind eure Pläne bezüglich eures Online-Auftritts? Es werden ja immer nur Teile des aktuellen Heftes online gestellt, aber ihr seid auf Twitter, Facebook etc.

Schmidt: Wir sind in erster Linie ein Printprodukt. Was wir online stellen, funktioniert als Teaser für Print. Aber unsere Kolumnistinnen sind zum Beispiel über die Mütterblogs sehr gut vernetzt, eine Geschichte über das Tabuthema Totgeburt hat dann schon einmal 10.000 Klicks.

Susemichel: Wir sind auch auf die Einnahmen aus Print angewiesen. Wir finanzieren uns zu einem guten Teil aus den Förderungen der Frauenabteilung der Stadt Wien und des Frauenministeriums sowie über den Inseratenverkauf, aber zu rund einem Drittel auch über unsere Abonnentinnen.

dieStandard: Es gibt auf eurer Homepage keine Möglichkeit zu posten – warum nicht?

Schmidt: Es gibt schon die Möglichkeit, einen Kommentar zu hinterlassen, aber das müssen wir freischalten. Wir hätten personell nicht die Möglichkeit, das nachträglich zu moderieren.

dieStandard: Wie viele Abonnentinnen habt ihr?

Susemichel: Rund 2000. Wir hören oft den Vorwurf, dass wir ein Nischenprodukt sind, das bloß innerfeministische Diskussionen repetiert und nicht breitenwirksam ist. Aber dass heutzutage feministische Perspektiven auch in großen Medienprodukten vorkommen, ist das Verdienst feministischer Medien. Es braucht emanzipatorische Medien, um andere anzustoßen.

dieStandard: Nehmen wir das aktuelle Heft: Es gibt darin z. B. ein großes Interview zur aktuellen SPÖ-Frauenpolitik, ein Schwerpunktthema Suizid oder z. B. eine Rezension des neuen Buches von Lena Dunham. All diese Themen kommen auch in Mainstreammedien vor. Was macht die "an.schläge" da besonders?

Schmidt: Wir können radikalere Positionen abbilden. Und beim Schwerpunkt Suizid etwa können wir in die Tiefe gehen wie kein anderes Medium. Wir haben dazu allein acht Geschichten, die wir rund ein halbes Jahr vorbereitet haben. Und zu Lena Dunham (lacht): Das Thema wird bei uns schon noch einmal genauer beleuchtet und erweitert, zum Beispiel auf die Produktionsbedingungen von Frauen in Hollywood hin.

dieStandard: Was waren die eurer Meinung nach drei wichtigsten feministischen Debatten im Jahr 2014, und wie habt ihr sie in den "an.schlägen" abgebildet?

Susemichel: Nur drei zu nennen ist schwierig: Das wären zum Beispiel Migration und Flucht samt ihren frauenspezifischen Konsequenzen, LGBTI-Rechte, Stichwort: Conchita Wurst und der Backlash bei Binnen-I bzw. geschlechtergerechter Sprache. Ich finde es aber auch wichtig, dass wir uns nicht in gewisse Diskussionen zwingen lassen im Sinn eines Pro oder Kontra. Hier nehmen wir eher eine Metaebene ein und fragen: Warum taucht so was auf und gerade jetzt? Was sind die Konjunktionen solcher Debatten?

dieStandard: Sie haben keinen Mann im Team und auch keine männlichen Autoren. Warum?

Susemichel: Wir sind da ganz old school (lacht). Wir sehen noch immer eine Schieflage in den Medien, was die Positionen und die Sichtbarkeit von Frauen betrifft. Solange das so ist, geht es uns ganz konkret um das Empowerment von Frauen. Viele Autorinnen, die bei uns anfangen, landen bei großen Medien. Aber wir freuen uns, wenn auch Männer uns lesen. (Tanja Paar, dieStandard.at, 5.11.2014)