Armani Encens satin (€ 195,-) und Kilian Incense Oud (€ 324,-) bei Le Parfum, Odin Roam (€ 140,-), Aedes de Venustas Copal Azur (€ 195,- im Stattgarten), Ramon Monegal Cuirelle (€ 145,-)

Collage: istockphoto.com, Hersteller

Issey Miyake Nuit d'Issey (€ 55,-), Serge Lutens L'Eau froide (€ 102,-), Terry de Gunzberg Rose infernale (€ 155,- bei niche-beauty.at), Jo Malone Saffron (€ 115,- Douglas), Heely Cardinal (€ 129,- bei Le Parfum)

Collage: istockphoto.com, Hersteller

Menschen sind nicht unbedingt duftende Wesen, wollen es aber von jeher gerne sein. Um schlechte Gerüche zu vertreiben, wussten sich schon die alten Ägypter zu behelfen, indem sie Dinge verbrannten, deren Rauch aromatisch war und damit die vom menschlichen Organismus erzeugten Ausdünstungen vertreiben konnte. Darin liegt auch der Ursprung des Wortes Parfum - aus dem lateinischen "per fumum", was "durch Rauch" bedeutet. Weihrauch ist von jeher einer jener Stoffe, die in der Verbreitung von Wohlgerüchen ganz besonders gut funktionierten. "Der Geruchssinn ist evolutionär betrachtet der erste, der sich bei den Lebewesen auf der Erde entwickelt hat", erklärt der deutsche Geruchsforscher Hans Hatt. Die Duftmoleküle erregen die Riechzellen im Gehirn, die damit Strom produzieren, der dann über die Nervenfasern weitergeleitet wird. "Duft wird im Gehirn nie allein, sondern immer mit einer momentanen emotionalen Situation abgespeichert", sagt Hatt, und das sei der Grund, warum über bestimmte Duftmuster immer auch Erinnerungen wachgerufen werden.

Die jahrtausendealte Verwendung von Weihrauch dürfte sich also auch epigenetisch über die Generationen eingeprägt haben. Allein: "Weihrauch ist ein Duft, den man entweder liebt oder hasst", sagt Karl Bradl, der zusammen mit seinem Partner Robert Gerstner seit 20 Jahren in Greenwich Village in New York eine Parfumboutique betreibt und eine eigene Linie namens Aedes de Venustas gegründet hat. "Weihrauch ist in all unseren Kreationen immer der wichtigste Inhaltsstoff, er ist unser Signature-Ingredient", sagt Bradl. In der neuesten namens Copal Azur ist Weihrauch in Kopf-, Herz- und Basisnote enthalten und mit Kiefern, Kardamom und Myrrhe kombiniert.

Wo der Baum wächst

Für alle, die es nicht so genau wissen: Weihrauch ist das Harz eines Baumes, der nur in wenigen Regionen der Erde wächst, etwa in Somalia, dem Jemen und Südafrika. Hauptlieferant von Weihrauch ist allerdings der Oman. Dort wächst der relativ niedrige Baum mit dem botanischen Namen Boswellia in den Trockentälern im Süden des Landes. Um das Harz zu gewinnen, wird die Rinde des Baumes geritzt, die austretenden Tropfen in Schalen aufgefangen und dann getrocknet. Die Ernte erfolgt dreimal im Jahr. Als besonders wert- und gehaltvoll gilt das Harz, das im Herbst gesammelt und auf den Märkten in Muskat gehandelt wird. Seit Jahrtausenden ist Weihrauch dort ein wertvolles Handelsgut. Schon in biblischen Zeiten wurde das Harz von den Rotmeerküsten über den Golf von Aden auf die arabische Halbinsel verschifft. Karawanen brachten das wertvolle Handelsgut nach Gaza am Mittelmeer, keine hundert Kilometer von Jesus' Geburtsstadt Bethlehem entfernt. Die Heiligen Drei Könige hatten es also, rein geografisch betrachtet, gar nicht besonders weit, um dem Neugeborenen Weihrauch und Myrrhe als Symbole eines neuen Herrschers vorbeizubringen.

Erinnerungen wecken

In den ersten Jahrhunderten des Christentums war Weihrauch dann allerdings eher verpönt. Es war erst Kaiser Konstantin, der den Wohlgeruch aus Harz als Zeichen von Macht bei Gottesdiensten erlaubte. Bis heute ist Weihrauch dort Teil des Rituals und ganz offensichtlich auch Inspirationsquelle für Parfümeure. So stand das Harz bei Bois d'Encens von Giorgio Armani Pate, weil Armani mit diesem Duft "eine Verbindung zu einem Teil meiner Kindheit schaffen wollte und die feucht-dampfende Kühle der in Weihrauch getränkten Steine italienischer Kirchen wieder aufleben lassen wollte". In der orthodoxen Kirche gehört Weihrauch mit Rosenduft zum Ritual.

Rein chemisch betrachtet schaffen das die in Weihrauch enthaltenen ätherischen Öle, die mit Wasserdampf-Destillation aus dem Harz herausgelöst werden und so profane Namen wie Monoterpene, Sesquiterpene oder Ketone tragen. Arabische Weihrauchöle sind süß und balsamisch, der Sultan von Oman hat sogar ein Staatsparfum auf Basis von Weihrauch kreieren lassen: Es heißt Amouage und wird in seiner Luxusvariante in ein vergoldetes Flakon abgefüllt und bei Harrods in London um 6000 Euro verkauft.

"Weihrauch lässt sich in sehr vielen Facetten mischen und akzentuieren, Sandelholz, Vetiver, Zeder und Wacholder passen genauso wie Beeren, Safran oder Rose", sagt Weihrauchexperte Bradl, der beobachtet, dass viele der Incense-Aficionados nicht nur aus den arabischen Ländern, sondern auch aus der Modeszene kommen. Vielleicht könnte die beruhigende Wirkung eine Erklärung dafür sein. Incensol lindert - laut Studien - sogar Depressionen, zudem wirkt Weihrauch entzündungshemmend und wird seit Jahrtausenden in sämtlichen Spielarten der Volksmedizin als Hausmittel eingesetzt, etwa bei Rheuma.

Dass Weihrauch wie Cannabis eine psychotrope Wirkung habe, wurde allerdings nie bewiesen. Mit Ausnahme der psychisch motivierten Anziehungskraft zwischen Menschen. Wer Weihrauch in guter Erinnerung hat, kann gar nicht anders, als sich hingezogen zu fühlen. (Karin Pollack, Rondo, DER STANDARD, 7.11.2014)