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Rund zwanzig Prozent der Sterbenden brauchen eine spezialisierte Palliativbetreuung, doch der Bedarf ist bei weitem nicht gedeckt.

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Vergleicht man die Zahl der Ratgeberbücher zum Thema Geburt und zum Thema Sterben, dann wird klar: Der Anfang des Lebens stößt auf mehr Leserinteresse als sein Ende, obwohl das Sterben im Gegensatz zur Geburt eines Kindes ausnahmslos alle Menschen betrifft.

Ein ähnliches Schattendasein fristet das Thema Sterben in der Gesundheitspolitik: Österreich ist drastisch unterversorgt, was die spezialisierte Betreuung Sterbender betrifft. Auch wenn sich viele Politiker öffentlich gegen Sterbehilfe und für eine professionelle Sterbebegleitung aussprechen – sie lassen den Worten kaum Taten folgen: Die öffentliche Hand lässt Hospizträger wie die Caritas im Regen stehen, diese sind auf Spenden angewiesen.

Hehre Ziele, weit verfehlt

Es scheitert wie so oft am Wirrwarr der Kompetenzen: Fürs Thema Sterben sind Sozial- und Gesundheitsministerium zuständig, jedes Bundesland hat eigene Regeln. Zwar erstellten Bund und Länder vor zehn Jahren einen Masterplan, um endlich einheitliche Standards zu schaffen. Doch beließ man es bei einer losen 15A-Vereinbarung – noch dazu schob man den heikelsten Punkt, die Finanzierung, hinaus. Die Folge: Zehn Jahre danach sind fast alle Bundesländer von den angestrebten Standards weit entfernt.

Zu Hause sterben

Nur die Steiermark schneidet relativ gut ab. Hier wurde eine Koordinationsstelle für Palliativbetreuung eingerichtet, das Land ist in Rayons unterteilt, die jeweils von mobilen Palliativteams versorgt werden. Es waren schnöde Kostengründe, die in der Steiermark etwas bewegten: So sterben Tumorpatienten, die keine mobile Palliativversorgung haben, zum Großteil im Spital, nur zwanzig Prozent erleben ihre letzten Stunden zu Hause.

Zum Vergleich: Krebspatienten, die von einem spezialisierten Team von Ärzten, Pflegenden und Ehrenamtlichen zu Hause betreut werden, sterben auch zu 52 Prozent im eigenen Heim. Vielen ist das Abschiednehmen zu Hause ein Herzenswunsch, der ihnen mangels ambulanter Versorgung jedoch oft versagt bleibt. Nebenbei spart es auch Kosten.

Länger als notwendig im Spital

Laut Schätzungen benötigen 15 bis 20 Prozent der Sterbenden eine spezialisierte Palliativbetreuung, vieles kann ambulant erfolgen. Eine Einweisung in die Palliativstation ist oft nur vorübergehend notwendig, um Hightech-Untersuchungen oder -Behandlungen durchzuführen. Die österreichische Realität sieht anders aus, Patienten bleiben oft länger als notwendig im Spital, weil es an Hospizbetreuung fehlt.

Spitäler seien oft gezwungen, "kreative Lösungen zu finden, weil sie die Patienten nicht sich selbst überlassen können", sagt Anna Pissarek vom Dachverband Hospiz. Da Spitäler die höhere Kostenvergütung für Palliativfälle nur drei Wochen lang erhalten, werden Patienten danach kurz in andere Stationen verlegt oder übers Wochenende entlassen, um dann neu aufgenommen zu werden – die Dreiwochenfrist beginnt dann neu zu laufen. Solche Tricks wären nicht notwendig, gäbe es ausreichend Plätze zur Nachversorgung oder mobile Teams für die Betreuung zu Hause.

Anders in Deutschland: Hier gibt es einen Rechtsanspruch auf mobile Hospizversorgung, um Patienten zu Hause beispielsweise den Zugang zur Behandlung mit Schmerzpumpen zu gewährleisten. Einen solchen Rechtsanspruch fordert der Dachverband Hospiz auch für Österreich.

Viel zu wenige Hospize

Bei der Erarbeitung des Plans einer flächendeckenden Palliativversorgung im Jahr 2004 hatte man noch ehrgeizige Ziele: Bis 2020 sollte der Vollausbau stehen – ein Mix aus mobilen Hospizteams, Tageshospizen, stationären Hospizen und Palliativstationen in Spitälern in jedem Bundesland. Doch nur die Spitalsversorgung wurde auch finanziell geregelt, der Rest wurde den Ländern überlassen. An diesem Versäumnis kiefeln die Praktiker noch heute. Stationäre Hospize gibt es nur in Graz, St. Pölten und Salzburg – bei weitem zu wenig für den laufend steigenden Bedarf.

Und die Lage werde sich nicht verbessern, solange es keine bundesweite Regelung für die Hospizfinanzierung gebe, sagt Johann Baumgartner, Leiter der steirischen Koordinationsstelle für Palliativversorgung. Er fordert fixe Tagsätze für Hospizanbieter. "Seit acht Jahren mache ich Lobbyarbeit dafür und komme mir vor wie ein Versager mit langem Atem", so Baumgartner. Immerhin: In der parlamentarischen Enquetekommission zum Thema Sterben, die am 7. November zur ersten Arbeitssitzung zusammentritt, soll auch die Finanzierungsfrage ein Thema sein.

Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, dem Nationalrat Ideen, Wünsche und Anregungen für die Enquetekommission zum Thema Sterben zu liefern – 600 solcher Stellungnahmen sind bis Mitte September eingelangt. Um noch mehr Beiträge sammeln zu können, wurde die Einreichfrist bis 31. Jänner 2015 verlängert. (Maria Sterkl, derStandard.at, 4.11.2014)