Bei Binder-Schramm läuft noch alles analog.

Foto: Gregor Fauma

In den Küchen von heute piept es. Es piept, wenn Wasser auf das Herddisplay tropft. Es piept, wenn man das Ceranfeld feucht abwischt. Es piept, wenn Geschirr am Display steht. Es piept, wenn die eingestellte Gartemperatur im Rohr erreicht ist. Es piept, wenn die eingestellte Garzeit abgelaufen ist. Es piept der Eiskasten, wenn er sich zulange offen wähnt.

Jeder Touch an den Armaturen des Dunstabzugs wird von einem Piep begleitet. Ziffern gibt es nur noch digital, deren Leuchtkraft kann man ausschließlich piepunterstützt einstellen. Wer sich von all dem digitalen Smog befreien möchte, braucht dazu Inseln des Analogen. Und zu den schönsten Inseln des Analogen gehören alte Hausrat- und Geschirrgeschäfte.

Ein solches Juwel ist das Geschirrgeschäft Binder-Schramm auf der Währinger Straße 140. Seit 95 Jahren wechseln dort im Souterrain Topflappen, Einsiedehilfen und Kochlöffel die Besitzer. Dort piept nichts, dort sind selbst Nachbestellungen und Lagerverwaltung analog. Wozu auch. Die 83-jährige Besitzerin Elisabeth Schramm, deren Vater das Geschäft 1919 gegründet hat, weiß über ihre Lieferanten alles und sie findet jedes der über 10.000 verfügbaren Teile in ihrem Geschäft mit wenigen Handgriffen.

Foto: Gregor Fauma

Die Kunden bei Binder-Schramm kommen oft mit besorgten aber hoffnungsvollen Fragen nach Einzelteilen, die sie längst ausgestorben vermuten. Für sie ist Binder-Schramm so etwas wie die letzte Anlaufstelle, wenn es darum geht, für den uralten Druckkochtopf noch ein Ventil zu bekommen. Und sie bekommen es.

Dasselbe gilt für Dichtungsringe bei diversen alten Schnellkochtöpfen - und für Ersatzdichtungen der Bialetti-Mokkas, die man sich in den 1970er-Jahren in Jesolo gekauft hatte. Und jeder Kunde hat seine Vorlieben - deshalb gibt es im Binder-Schramm´schen Souterrain auch gut zwanzig verschiedene Sparschäler zu Auswahl. Und jeder schwört auf sein Modell als das bestgeeignete. Nicht oft, aber doch immer wieder wird nach Wäscheleinen gefragt, und meistens wird dann auch gleich ein Packerl neuer Wäschekluppen mitgenommen.

Foto: Gregor Fauma

Jetzt, in der kalten Jahreszeit und vor Silvester, werden auch echte Raritäten aus den endlosen Gängen des Lagers geholt. So zum Beispiel ein Zuckeraufleger für eine Feuerzangenbowle.

Verselbstständigt hat sich eine liebgewonnene Tradition bei Binder-Schramms: Früher, als Frau Schramms Mann noch gelebt hatte, steckte dieser gut einkaufenden Kunden gerne noch gratis ein kleines Gemüsemesser mit in die Einkaufstasche - als Dankeschön. Und es sind diese Kunden, die heute noch gerne zwei, drei dieser Gemüsemesser kaufen und ihrerseits Freunden und Bekannten schenken.

Foto: Gregor Fauma

Kleinvieh macht Mist, aber nicht ausreichend, um davon leben und Löhne bezahlen zu können. Dazu führt das Geschäft andere Produkte: Fondue- und Raclettegeschirr, die wären wieder im Kommen. Oder Slow Cooker, Steamer, Reiskocher und Easy Toaster von Russell Hobbs. Ebenso im Trend die Getreidemühle und Flockenquetsche von Jupiter oder die Brotbackglocke aus Keramik von Emile Henry.

Daher ist Herr Schramm, Sohn und Vertreter der dritten Generation, auch auf sein Le Creuset-Sortiment besonders stolz. Die Gusseisenkollektion sei mit eine der besten und jeden Euro wert, den sie kostet. Dafür seien es Anschaffungen für das Leben, das müsse einem beim Kauf klar sein, führt Schramm aus. Dreißig Jahre Garantie würden das verdeutlichen. Aktuell beim Gänsebräter. Der Gänsebräter von Le Creuset ist massiv, wuchtig und lädt dazu ein, gleich noch ein Entchen mitzubraten, so groß ist er.

Foto: Gregor Fauma

Warum Herr Schramm diesen Bräter gerne empfiehlt, liegt, abgesehen von der Qualität des Materials und dessen Verarbeitung, auch an der Werthaltigkeit von Qualitätsunternehmen. In diesen wird nach wie vor in ihren Ländern manuell produziert, Arbeitskräfte werden als Ressource und nicht als Kostenfaktor betrachtet und das Wissen, Produkte von Bestand zu schaffen, gehört zu den wesentlichen Antreibern dieser Unternehmerfamilien.

Frau Schramm in ihrem Geschäft in der Währinger Straße.
Foto: Gregor Fauma

Dies gelte für Unternehmen wie zum Beispiel RIESS, Victorinox, Sigg, Riedel und auch Wüsthof. Und so sieht man das auch seit 95 Jahren bei Binder-Schramm. Eigentümergeführte Geschäfte, mit Verantwortung für Lehrlinge und Mitarbeitende, können sich laxe Beratung und mediokre Produkte nicht leisten. Eine Errungenschaft der analogen, der ruhigeren Welt. Deswegen reißt der Kundenstrom auch nicht ab. Ad multos annos! (Gregor Fauma, derStandard.at, 4.11.2014)

Wo gibt es noch ähnliche verborgene "Schätze" an Geschirrgeschäften? Posten Sie Ihre Lieblingsgeschäfte aus dem Grätzel, die einen Besuch wert sind und die unbedingt erhalten werden müssen.