Bild nicht mehr verfügbar.

Der Termin für die Wien-Wahl ist noch ungewiss, aber Bürgermeister Michael Häupl will es noch einmal wissen.

Foto: APA/Neubauer

Stimmenmehrheit nach Bezirken

Grafik: Der Standard

Wien - Die Chancen stehen gut für alle Wienerinnen und Wiener, dass innerhalb der nächsten Monate zumindest einmal jemand überraschend an die Türe klopft. Das Rezept vor der Wahl im kommenden Jahr heißt offenbar Personenkontakt: Sowohl SPÖ als auch Grüne klappern derzeit Haushalte ab. Obwohl sie seit nunmehr vier Jahren gemeinsam eine Koalition bilden, sind sie nicht zusammen unterwegs. Es gilt das Profil zu schärfen, die Karten werden in Wien gerade neu gemischt. Im Jahr vor den Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen geht man bewusst auf Distanz.

Bürgermeister Michael Häupl sagte über das Verhältnis zwischen Rot und Grün kürzlich in einem Interview: "Der Honeymoon ist vorbei, jetzt kommen die Mühen der Ebene." Offen ist noch, wann die Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen stattfinden, spätestens aber am ersten Sonntag im Oktober. Wenig überraschend wäre es, wenn sie vorverlegt werden. Will die SPÖ vom Rückenwind des Song Contest im Mai 2015 profitieren? Keine unwahrscheinliche Variante, über die bislang aber nur spekuliert wird.

20 Jahre Bürgermeister

Häupl will es im nächsten Jahr noch einmal wissen. Es ist - das hat er mehrmals angekündigt - die letzte Gemeinderatswahl des langjährigen Parteichefs. Am 7. November feiert er sein 20-Jahr-Amtsjubiläum. 1993 wurde er Landesparteivorsitzender, 1994 übernahm er das Amt des Bürgermeisters. Die Ziele für 2015 sind hoch gesteckt: Häupl will die absolute Mehrheit. In Umfragen liegt die SPÖ nur noch bei 35 bis 40 Prozent. Bei der Wahl vor fünf Jahren kam sie auf 44,3 Prozent.

Ab wann die Mehrheit der SPÖ absolut ist, darüber wird derzeit noch verhandelt. Dass sich Rote und Grüne noch nicht auf ein neues Wahlrecht einigen konnten, ist mit ein Grund, warum die Harmonie in der Koalition derzeit nicht gegeben ist. 2010 lautete der Vorsatz der Grünen, damals Oppositionspartei, noch: "Jede Stimme muss gleich viel wert sein." Unter diesem Vorhaben unterzeichneten sie mit FPÖ und ÖVP einen Notariatsakt, mit dem sie für eine Wahlrechtsreform eintraten. Das gültige System bezeichneten sie als ein künstliches, die SPÖ solle nicht mehr - wie dann bei der Wahl 2010 - mit 44,34 Prozent der Stimmen 49 von 100 Mandaten erhalten können.

Aufgeschobene Wahlrechtsreform

Nur, wo die Grenze festlegen? Im August wurde eine Einigung kolportiert: Die Sozialdemokraten müssten künftig rund 47 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen, um 50 der insgesamt 100 Mandate zu bekommen. Beschlossen wurde die Reform aber nicht. Dafür ist noch Zeit, beruhigte Häupl, den der den Grünen drohende Gesichtsverlust nur wenig schmerzt und dessen Partei dafür kämpft, die Grenze weiter unten anzusetzen.

"Man bringe den Spritzwein." Vor vier Jahren wurde die erste rot-grüne Koalition noch feierlich besiegelt. Die Grünen kamen auf 12,6 Prozent, und Häupl stieß mit Maria Vassilakou an, die als erste Grüne zur Wiener Vizebürgermeisterin ernannt wurde.

In ihren Verantwortungsbereich gehören seither die Stadtplanungs- und Verkehrsagenden. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: Zuständig für die Wiener Linien blieb Finanzstadträtin Renate Brauner. Sie wurde während der Legislaturperiode auch nicht müde, darauf hinzuweisen: bei der Einführung des 365-Euro-Jahrestickets für die öffentlichen Verkehrsmittel oder aber auch beim Konflikt der Grünen mit den 13A-Busfahrern in der Probezeit der Verkehrsberuhigung auf der Mariahilfer Straße.

Vonseiten der Anrainer und Wirtschaftstreibenden war die Kritik an der neuen Mahü zu Beginn massiv. Umso erleichterter war Vassilakou, als das Votum der Anrainer im März dieses Jahres mit 53,2 Prozent pro Fußgängerzone ausfiel.

(Un)zufriedene SP-Anhänger

Die Grünen wollen - vorausgesetzt, es kommt zu einer Einigung beim Wahlrecht - "five more years" in einer Koalition mit der SP weiterarbeiten. Sie tun sich leichter mit dieser Ansage als der Koalitionspartner, sagt Josef Kalina. Der frühere Bundesgeschäftsführer der Roten, der der Partei immer wieder beratend zur Seite steht, sieht hier die größte Herausforderung. "Die SPÖ muss jene bei der Stange halten, die zufrieden mit Rot-Grün sind, aber auch jene, denen die derzeitige Verkehrspolitik gegen den Strich geht", sagt er zum STANDARD. Diesen "Spagat" gelte es im Wahlkampf zu bewältigen. Während erstere Wählergruppe tendenziell in den inneren Bezirken wohnhaft ist, ist die zweite in den Flächenbezirken am Stadtrand anzutreffen.

Viel entscheidender wird aber noch die Positionierung der SP zur FP werden. Auch die Blauen bereiten sich auf das Wahljahr vor und verpassen sich einen neuen Anstrich. Im November beschließt die FP ein neues Programm. Fest steht, dass Heinz-Christian Strache wieder Spitzenkandidat wird. Beim letzten Mal kam die FPÖ auf 25,8 Prozent. Die Partei hofft nun auf ein Drittel der Stimmen und wird auch wieder im Becken der Serbischstämmigen fischen. Umso schmerzlicher ist der Verlust von Luka Markovic, Bezirksrat in Meidling, der sein blaues Parteibuch gegen ein rotes tauschte.

Match mit der FPÖ

Kalina ist sich sicher, dass Häupl wieder in den Zweikampf mit Strache gehen wird. Einen Vorgeschmack konnte man bei der Causa Maximilian Krauss erleben: Häupl hatte die Bestellung des 21-jährigen schlagenden Burschenschafters zum Vizepräsidenten des Stadtschulrats verweigert. "Die mediale Polarisierung nutzt beiden Parteien, deswegen wird sie auch im kommenden Wahlkampf stattfinden, auch wenn es für die SPÖ ein zweischneidiges Schwert ist, weil auch die FPÖ gestärkt wird", sagt Kalina.

Am Rande der Bedeutungslosigkeit bewegt sich mittlerweile die VP in Wien. Bei der Gemeinderatswahl 2010 brachte sie es auf nur mehr 13,9 Prozent. Dass der VP die Neos, die sich zum Beispiel für die Sonntagsöffnung starkmachen, den Rang ablaufen werden, glaubt Politologe Peter Filzmaier nicht: "Natürlich wird man der ÖVP wehtun, doch Zielgruppe der Neos sind weniger ÖVP-Wähler von 2010, denn davon gab es ja nicht mehr gar so viele", sagt er zum STANDARD.

Niedrige Wahlbeteiligung

Das größere Potenzial für die Neos seien bürgerlich-liberale Wähler bis 50, die bei den letzten Malen nicht zur Wahl gingen: "Die Mobilisierung wird da zur großen Herausforderung." Nicht nur für die Neos: 2010 blieben mehr als 30 Prozent der 1,1 Millionen Wahlberechtigten zu Hause. (Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 3.11.2014)