Als diese Woche die Schummelei mit den Wahlkampfausgaben der Parteien aufflog, war es wieder einmal zu hören, das Zauberwort, das unseren Sinn gefangen halten soll, auf dass wir seine Leere nicht durchschauen mögen: Verantwortung. "Ich übernehme die Verantwortung dafür", tönte es aus dem Munde des ÖVP-Obmannes, ergänzt um das Versprechen des Aufschubs auf die lange Bank: "In Zukunft werden wir die Grenze einhalten." Längst nicht mehr gewohnt, dass irgendwer das Eingeständnis eines Fehlverhaltens statt mit einer faulen Ausrede mit einem Schlag an die eigene Brust garniert, wollte sich spontan Entzücken ob solchen Mannesmuts einstellen. Ehe es voll ausbrechen konnte, machte indes die Nonchalance dieser Verantwortungsübernahme deutlich, dass sie kaum mehr bedeutete als das Abschieben auf seinen Vorgänger, verschärft um die Angst vor einer saftigen Geldstrafe, gemildert um das Faktum, dass Reinhold Mitterlehner der einzige Parteichef war, der in diesem Zusammenhang das Wort Verantwortung wenigstens in den Mund genommen hat.

Hätte sich irgendjemand Verantwortung zu Herzen genommen, dann hätte es nicht achselzuckend im Nachhinein, sondern schon damals vor zwei Jahren sein müssen, als jenes Gesetz zusammengeschustert wurde, dessen Löchrigkeit, möglicherweise sogar Verfassungswidrigkeit, nun von allen Seiten beklagt wird. Was jetzt offenbar geworden ist, war schon damals gewollt, geleitet von der Hoffnung, die Umgehung der offiziell deklarierten Absicht würde schon nicht ruchbar werden beziehungsweise im Falle eines Wahlsieges ohnehin wurscht sein.

Ob die ÖVP unter Spindeleggers Führung mit der Kühnheit, mit der sie der gesetzlich auferlegten Kostenbeschränkung Hohn sprach, das Kanzleramt finanziell erzwingen wollte, ob die SPÖ dessen Erhalt mit einer kleinen Überschreitung nur nüchterner kalkulierte oder, quasi Wirtschaftspartei, im Verstecken von Kosten einfach routinierter vorging, hat mit dem Geist des Gesetzes - Sparsamkeit und Transparenz - wenig zu tun. Der wird geradezu pervertiert, wenn Überschreitungen der Wahlkampfkosten, wie die niederösterreichische Volkspartei es tat, damit entschuldigt werden, dass es so viele Listen wie noch nie gegeben habe, die alle gegen den Landeshauptmann angetreten seien. Der Arme sah einfach keine andere Möglichkeit, seine Haut zu retten, als mit Geld. Und klar: Wenn es nur noch ihn gibt, wird's billiger. Wozu müssen andere überhaupt kandidieren?

Politische Verantwortung zu übernehmen ist hierzulande keine intensiv geübte Tugend. Wäre es anders, wären, nur ein Beispiel, etliche Skandale aus den Jahren der schwarz-blauen Koalition längst aufgearbeitet. Mitterlehner hat die Verantwortung für eine Gesetzesverletzung seiner Partei übernommen. Das sollte doch etwas bedeuten. Aber was? a) Es geschieht nix. b) Nach einer milden Strafe wiederholt sich das Spiel bei der nächsten Wahl. Denkbar wäre natürlich auch c): Er gibt so lange keine Ruhe, bis Österreich ein Parteiengesetz hat, das für klare Abrechnung und peinliche Kontrolle sorgt. Das wollen doch alle. Wenn er sich damit nur nicht übernommen hat. (Günter Traxler, DER STANDARD, 31.10.2014)