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Viele landwirtschaftliche Betriebe in Österreich sind auf Erntehelfer aus dem Ausland angewiesen. Die Entlohnung ist aber häufig sehr gering und ruft nun die Gewerkschaft auf den Plan.

Foto: dpa / Bernd Weißbrod

Innsbruck - Die Geschichte, die in Tirol als Beispiel für "Sklaventum" erzählt wird, nahm ihren Anfang vor vier Jahren in einer Stadt im Herzen Rumäniens. Durch Mundpropaganda in seiner Heimat, erzählt der junge Mann, sei er auf den Hof im Tiroler Absam aufmerksam geworden. Er brauchte Geld, die Besitzer fleißige Arbeiter. Kurz darauf wurde er beschäftigt: sieben Monate im Jahr als Erntehelfer in Österreich.

Was er - und später auch sein Bruder - laut Sachverhaltsdarstellung, die nun der Innsbrucker Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, tatsächlich getan hat, war wesentlich mehr: "Zwetschken pflücken, im Wald arbeiten, spachteln auf der Baustelle, kellnern im Gasthaus, Bügelwäsche, alles", sagte der heute 24-jährige Rumäne am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz des Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Die Arbeitszeiten: sieben Tage die Woche, circa acht bis 20 Uhr, manchmal auch nachts in der Gastwirtschaft der Arbeitgeber, jeden zweiten Sonntagnachmittag hatten sie frei. Der Verdienst: "In guten Monaten 700 bis 750 Euro" - bar auf die Hand.

Über die Jahre 57.000 Euro zu wenig

Die Arbeiter hätten die Tiroler Bauernfamilie mehrfach gefragt, wieso sie nur so wenig Geld bekämen. "Die haben gesagt, dass wir ihnen vertrauen sollen, dass uns genau das zusteht und wir Teil der Familie sind." Auf den Verdienst sei das rumänische Brüderpaar angewiesen gewesen.

Eine Nachbarin in Absam habe die beiden dann überredet, sich an die Migrantenberatungsstelle des ÖGB zu wenden. Und der hat nachgerechnet: Einem österreichischen Erntehelfer stehen exklusive Sonderzahlungen kollektivvertraglich knapp 2000 Euro brutto im Monat zu. Über die Jahre ergibt das einen Entgang von fast 57.000 Euro für beide Brüder.

"Spitze des Eisbergs"

"Wir haben eine außergerichtliche Einigung mit dem Arbeitgeber der Männer angestrebt, der Bauer ist auf unsere Forderungen aber nicht eingegangen", sagt Xaver Zeilinger, Rechtsschutzsekretär der Produktionsgewerkschaft. Neben der eingebrachten Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft werde der ÖGB nun auch zivilrechtlich klagen.

"Das ist die Spitze des Eisbergs", sagt Daniela Meichtry, ÖGB-Migrantenberaterin. "Es ist schwierig, an Erntehelfer heranzukommen. Da wird mit Angst und Drohungen gearbeitet, damit solche Fälle nicht ans Licht kommen." Oft kämen sprachliche Barrieren hinzu - in der Branche würden viele Menschen aus den neuen EU-Ländern arbeiten.

Kaum Kontrollen

Bereits vergangenen Herbst wurde bekannt, dass mehrere Erntehelfer in Tirol nicht angemessen entlohnt wurden. Seither setze man auf Aufklärung mit mehrsprachigen Foldern. "Das große Problem sind fehlende Kontrollen. Theoretisch gibt es zwar das Lohn- und Sozialdumpinggesetz, es müsste nur auch angewendet werden", sagt Bernhard Höfler, Sekretär der Produktionsgewerkschaft und Vorstandsmitglied der Arbeiterkammer.

Die beiden Rumänen wollen jedenfalls in Österreich bleiben, sie möchten besser Deutsch lernen und einen neuen Job finden - einen mit fairer Entlohnung. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 31.10.2014)