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Radfahren im Winter ist nicht so schlecht wie sein Ruf: Durch die Bewegung wird einem schnell warm, und man erspart sich Hustenkonzerte in den Öffis.

Foto: REUTERS/Carlo Allegri

"Wenn es ganz kalt wird: zum nächsten Altpapiercontainer, Zeitung zerknüllen und unter die Jacke stopfen. Das bildet Hohlräume, in denen warme Luft gespeichert wird", sagt Mex von Hermes-RadbotInnen. Er hat diesen Tipp von jemandem, der noch mehr Zeit im Freien verbringt, auch wenn es Temperaturen unter null hat: einem Obdachlosen.

"Bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit", heißt es auf der Homepage von Hermes. Und im Winter nehmen die Aufträge nicht ab. Die Boten tragen zwar gute Systemkleidung, also zum Beispiel wind- und wasserabweisende obere Bekleidungsschichten. Aber die Kälte ist nicht das Hauptproblem, sagt Mex: "Schließlich ist man eh in Bewegung und hält sich dadurch warm." Am schlimmsten ergehe es Fingern und Zehen.

Lästiges Salz greift Fahrräder an

Bei trübem Wetter wird auch untertags mit Licht gefahren, um für alle Verkehrsteilnehmer gut sichtbar zu sein. Die Fahrräder selbst werden jedoch nur im Bedarfsfall mit Profilreifen ausgestattet. Gefährlich kann es werden, wenn die Straße nass wird. Vor allem auf Gleiskörpern und Bodenmarkierungen steigt dann die Rutschgefahr.

"Lästig ist, dass die MA 48 sowie viele Hausbesorger sehr viel Salz streuen, obwohl nichts friert und kein Schnee da ist. Das greift unser Gerät schon stark an und ist wirklich unnütz", kritisiert der Radbote.

Winterradeln wird beliebter

Ob das Fahrrad immer beliebter wird oder die Österreicher einfach nur sparsamer: Fest steht, dass insgesamt immer öfter auch im Winter geradelt wird. Laut der städtischen Mobilitätsagentur bricht der Radverkehrsanteil in Wien zwar ab Oktober um ein Drittel ein, und die Menschen steigen erst im April wieder auf das Fahrrad, wenn das Wetter milder wird. Doch 170.000 Menschen nutzen das Rad auch im Winter, um alltägliche Wege zurückzulegen. Das Potenzial ist dabei noch deutlich größer. In den Niederlanden und den skandinavischen Ländern wird das ganze Jahr mit dem Rad gefahren, erklärt die Radlobby Argus.

Angst vor Unfällen auf schlecht geräumten Wegen

Denn Kälte ist nicht der einzige Grund, wieso auch leidenschaftlichen Radfahrern der Spaß an ihrem bevorzugten Verkehrsmittel vergehen kann. Die Angst vor Unfällen, schlechten Straßenbedingungen und nicht oder schlecht geräumten Radwegen wirkt abschreckend. Die Stadt Wien hat hier in den vergangenen Jahren nachgebessert: Seit 2011 wird das sogenannte Winterbasisradwegenetz, das 266 Kilometer umfasst, gleichzeitig mit den Hauptverbindungen der Autos geräumt.

Die Argus appelliert an gegenseitige Rücksichtnahme. Denn teilweise seien die Radwege besser geräumt als die Gehwege, was mancherorts dazu führt, dass Fußgänger auf dem Radweg gehen.

Spikes meist unnötig

Viele österreichische Bundesländer und vor allem Wien haben im Winter jedoch kaum Schneelage, in Wien sind es meist nur wenige Tage im Jahr. "Gefährlich sind nur Eisstellen und Schneeverwehungen, die aber selten auftreten", sagt Alec Hager, Geschäftsführer der Radlobby Österreich.

Er hält Spikes für Radreifen in Wien daher in der Regel nicht für notwendig: Nur in westösterreichischen Gegenden mit dauerhafter Schnee- oder Eislage würde es sich seiner Meinung nach auszahlen: "Auf asphaltierten Strecken mit guter Räumung, was ja in Wien der Normalfall ist, braucht es keine Spikes." Ohne Schnee- oder Eisfahrbahn wirken Spikes bremsend und sind zudem akustisch lästig. Wichtig ist im Winter eine gute Beleuchtung wegen der frühen Dunkelheit, sagt Hager: "Wir empfehlen dafür gute Nabendynamoanlagen mit LED-Standlichtern."

Ketten ölen, Teflonspray auf Schloss

Die Ketten noch einmal gut zu ölen ist zwar sinnvoll, da die Feuchtigkeit das Öl verdrängen kann. Aber Vorsicht: Zu viel Öl kann den Antrieb verkleben. Reifen mit Profil geben bessere Haftung. Ein Fahrradschloss, das mit Teflonspray behandelt wird, beschert keine böse Überraschungen, indem es einfriert.

Die Unfallgefahr steigt für Radfahrer im Winter übrigens nicht signifikant. Laut Statistik Austria wurden im Jahr 2012 965 Radler in Wien verletzt. In den klimatisch ungemütlichsten Monaten von Dezember bis Februar waren es nur 70. Im Gegenteil, sagt Hager: "Man holt sich in der überheizten Straßenbahn keinen Schnupfen, und es ist beim Radeln immer wärmer als beim Gehen oder Stehen." In den Niederlanden wurde erhoben, dass Arbeitnehmer, die auch im Winter in die Arbeit radeln, im Durchschnitt einen Tag weniger krankgeschrieben sind. (jus, derStandard.at, 8.1.2015)