Ein Schriftsteller, der immer zuerst an sein Schreiben denkt: Jason Schwartzman mit Elizabeth Moss in Alex Ross Perrys "Listen Up Philip".

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Regisseur Alex Ross Perry und seine Darsteller Jason Schwartzman und Jonathan Pryce (v.l.n.r.).

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STANDARD: In "Listen Up Philip" begleiten wir den Nachwuchsliteraten Philip Lewis Friedman (Jason Schwartzman) bei seinen Versuchen, mit dem Schreiben weiterzukommen, Ruhm zu erlangen. Wie vertraut sind Sie mit der Literaturszene und dem dort herrschenden Zwang zum Selbstmarketing?

Alex Ross Perry: Ich kenne die Literaturszene eigentlich gar nicht. Ich bin nur ein Fan. Vielleicht war ich des- halb umso besser dazu imstande, darüber einen Film zu machen. Für mich ist Listen Up Philip eine wunderbare Fantasie, ich liebe Bücher und will wissen, woher sie kommen. Was die Selbstpromo anbelangt, die gibt es natürlich auch in meiner Welt. Personen, die einem nur schlechte Nachrichten übermitteln, lästige Pressetermine, bösartige Kollegen - das sind alles Dinge aus der Filmwelt. Ich wurde schon öfters darauf angesprochen, wie gut getroffen dies ist - ich glaube, es ist inzwischen überall gleich. Jeder steht im Wettbewerb, niemand will noch mehr Arbeit aufgebrummt bekommen.

STANDARD: Philip ist arrogant genug, einiges von sich zu weisen ...

Perry: Philip würde seine Bücher nie auf Twitter bewerben. Wie Jonathan Franzen lehnt er dieses Mittel ab. Doch wenn Franzen nicht so etabliert wäre, würde er vielleicht wie ich öfter online sein, um sein Werk in Umlauf zu halten. Erst ab einem bestimmten Punkt spricht alles für sich selbst. Ich habe viel von meiner Frustration in den Film gesteckt, dass ich dieser ständig hörbare Kommentar meiner Tätigkeiten bin. Es wäre viel schöner, wenn die Leute akzeptieren würden, dass alles, was ich tue, einfach existiert.

STANDARD: Ike, der von Jonathan Pryce verkörperte Autor, für den Philip schwärmt, kommt aus einer anderen Generation. Er hatte größere Freiheiten und verströmt noch diese Aura einer anderen Zeit, in der man regelloser lebte ...

Perry: Er saß wahrscheinlich in den 1970ern bei der Dick Cavett Show, hat dort geraucht, über sein Werk geredet und mit Schauspielerinnen geflirtet. Das ist eine Ära, die ich natürlich fetischisiere. Ich brauche nur zu sehen, wie das Cast von Husbands - John Cassavetes, Peter Falk und Ben Gazzara - bei Cavett betrunken zu Gast ist, und das dann damit zu vergleichen, wie Jason und ich hier allein und gesittet Interviews führen.

STANDARD: Muss man so egozentrisch sein wie Philip und Ike, um Erfolg zu haben?

Perry: Das weiß ich wirklich nicht. Sie sind Autoren nachempfunden, die ich verehre. Ike hat viel von Norman Mailer, der mich in seiner spöttischen Haltung stets faszinierte. Bei ihm denkt man, es sei wirklich notwendig, ein Aufschneider zu sein! Aber ich liebe auch Pynchon, der genau das Gegenteil verkörpert. Die beiden decken auch unterschiedliche Seiten meiner eigenen Persönlichkeit ab. Diese Männer zusammenzustellen ist ein bisschen so, als würde ich zwei Seiten meiner Persönlichkeit in einem Raum miteinander reden lassen. So sehe ich, was ich davon lernen konnte.

STANDARD: Ich habe auch an Philip Roth denken müssen ...

Perry: Ja, er ist die Summe meiner Begeisterung für jüdische US-Nachkriegsautoren der Ostküste. Sie bedeuten mir alles. Mailer und Roth stehen an der Spitze, aber auch Saul Bellow, Richard Yates (der kein Jude ist), Martin Amis (der kein Amerikaner ist): Diese Ära fasziniert mich. Es war eine große Zeit, die beste Zeit, um ein großer Autor zu sein.

STANDARD: Wie erklären Sie sich Ihr Interesse gerade für diese Ära?

Perry: Ich glaube, weil es die Zeit kurz vor meiner Geburt ist. Die Bücher von Roth und Yates ermöglichten mir Einsichten in die Kultur, in der ich aufwuchs. Auch die Ära von New York, die wir zeigen, ist von 1980er-Filmen inspiriert. Woody Allens Husbands and Wives, ein Film namens Rich Kids, einer namens Heart mit Brad Davis - der zeigt ein schön schäbiges, unauffälliges Bild der Stadt. Ich bin viel offener für Zeiten, an die ich mich nicht erinnere.

STANDARD: Literarisch wirkt auch das Verfahren, mitten im Film auf eine andere Figur zu wechseln - auf Ashley (Elizabeth Moss) etwa, Philips Freundin. War das immer geplant?

Perry: Ja, ich habe jeder Versuchung, die Geschichten überlappen zu lassen, widerstanden. Dieser New-York-Film fand erst seinen Kern, als ich The Recognitions (dt. Die Fälschung der Welt) von William Gaddis las. Der zentrale Protagonist ist ein Maler, der ungefähr auf Seite 250 verschwindet und erst auf Seite 900 wieder auftaucht. Der Rest des Buches erzählt von den Konsequenzen, die das auf seine Community in New York hat. Als ich das Buch 2011 las, fühlte es sich trotz seines Alters so gegenwärtig an. Was für eine brillante Idee, die Perspektive derart zu verschieben! Es ist allerdings völlig ungewöhnlich für einen Film, weil es diese Versuchung gibt, etwas dazwischenzuschneiden, und wenn es nur eine einzige Szene ist.

STANDARD: Der Film hat einen körnigen Look und diese schönen Brauntöne. Wie eng arbeiten Sie mit Kameramann Sean Price Williams zusammen, der Sie ja schon länger begleitet?

Perry: Wir müssen uns auf dem Set gar nicht mehr unterhalten. Inzwischen haben wir wahrscheinlich an die 500 Filme unseres Lebens gemeinsam gesehen. Ich sage nur Husbands and Wives, Hannah and Her Sisters und einen weiteren Film, und er weiß, was ich meine. Ich hatte diese Vision eines bräunlichen New-York-Films. Ich liebe diese Farbe. Und ich liebe diese Ära von New York. Wir haben auf 16mm gedreht, da bekommt man eine natürliche Wärme, der ganze Film hat dieses ein wenig verschwommene Leuchten. Wir haben beim Produktionsdesign darauf geachtet, dass alles diese goldene, erdige Farbe hat. Ich hatte dafür erstmals überhaupt eine solche Crew: ein siebenköpfiges Artteam! (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 31.10.2014)