Thurston Moore, ein New Yorker Lärmrocker im London Exil.

Foto: Vera Marmelo

Wien - Die Band Sonic Youth bestand immer aus Stars von nebenan. Aus Typen, die man auf den Straßen New Yorks beim Milchkaufen treffen konnte. Hey, Lee! Und der hat dann zurückgegrüßt.

Ihre vier Mitglieder waren zwar weltberühmt, aber weitgehend allürenfrei. Lange dominierten sie den Begriff cool, und mit ihren fadenscheinigen Bluejeanshosen und den durchgelatschten Turnschuhen definierten sie die Grundausstattung gängiger Hipstergarderoben länger als die meisten. Als kleinen Luxus leistete man sich ein bisserl teure Kunst, aber wozu ist man sonst Rockstar und kennt die ganzen großen Bildermaler beim Vornamen?

Sonic Youth liegt nun schon ein paar Jahre auf Eis, heuer haben sich Gitarrist Thurston Moore und Bassistin Kim Gordon nach dreißig Jahren Ehe scheiden lassen. Moore soll seit Jahren ein Doppelleben geführt haben, nicht einmal die Paartherapie brachte da das alte Glück zurück. Den Bruch vollzog Moore nun sogar geografisch und zog mit der neuen Flamme nach London. Jetzt hat er The Best Day veröffentlicht, ein Album wie ein neuer alter Turnschuh.

Zwar behauptetet der 56-Jährige in aktuellen Interviews, Sonic Youth wären ihm langweilig geworden, weil die Band ihn nicht mehr überraschen konnte, geschweige denn ihr Publikum. Aber vollkommen unerwartet klingt The Best Day natürlich nicht, man ahnt, wie zuletzt bei Sonic Youth, jeden Akkordwechsel voraus, lässig ist es dennoch. Beides kommt nicht unerwartet.

Schließlich hat Moore mit Sonic Youth einen Sound kreiert, der eine Handschrift wurde und eine Vorlage für dutzende Bands. Wozu sollte er das leugnen oder es sich abtrainieren? The Best Day ist also Hausmarke, aber sie hat lange nicht so frisch geklungen. Das wurde zwar über die letzten vier Sonic-Youth-Alben schon geschrieben, dieses Mal stimmt es aber tatsächlich. (Okay, das konnte man auch öfter lesen.)

Aber bis auf einen Ausreißer nach unten, den Song Tape, versieht Moore seine neuen Stücke mit wesentlich mehr Druck. Die Produktion ist direkter, die Ergebnisse sind roher. Es ist ein Album aus dem Bauch, stellenweise gar konventionell rockistisch, man höre nur den Titelsong. Vollkommen Neues erwartet man von Moore ja nicht mehr, aber alte Vorlieben mit neuer Euphorie gespielt kommt gut. Manche Liebe ist eben doch beständig. (Karl Fluch, DER STANDARD, 30.10.2014)