Erst rund 300 Menschen wohnen derzeit in der Seestadt Aspern.

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Bis Mitte 2015 soll der südliche Teil des Stadtentwicklungsgebiet fertig sein - die Kräne weichen dann rund 6.000 Menschen, Geschäftslokalen, sozialen Projekten, Straßen und Bussen.

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Das Areal wird aber schon jetzt für diverse Projekte genutzt: In diesem Container beispielsweise befindet sich die "mobile Jugendarbeit".

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Das Fahrradleihsystem wird für die Seestädterinnen und Seestädter kostenlos sein.

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Wien - Minimarkt, Jugendzentrum, Aussichtsplattform und Projekte, wie der kostenlose Fahrradcheck "ReCycle" oder die soziale Kooperation "Greenlab": Schon jetzt tut sich einiges in der Seestadt Aspern. Dabei wohnen noch keine 300 Menschen im Wiener Stadtentwicklungsgebiet in der Donaustadt. Die rund 1.400 Baustellenarbeiter überwiegen zahlenmäßig eindeutig. Noch wird gebaut, was das Zeug hält.

Erst Mitte 2015 soll es den nächsten großen Meilenstein geben. Dann sollen nämlich im südlichen Areal - also bei der U-Bahn-Station "Seestadt" - alle rund 6.000 neuen Bewohner eingezogen sowie alle Geschäfte und Versorger eröffnet sein; darunter ein Supermarkt, Drogerien, Gastronomie, Banken, Apotheken, Kindergärten, Arztpraxen.

Sorge schimmert durch

Bis dahin sollen Wohnungen und Geschäftslokale laufend fertiggestellt und eröffnet werden. Um Weihnachten wird die Seestadt etwa 700 Einwohner haben; und in Zukunft mit Passiv- und Niedrigenergiehäusern, Miet- und Eigentumswohnungen, Grünflächen, Gemeinschaftsgärten, kulturellen und sozialen Projekten sowie Nachbarschaftsinitiativen aufwarten. Man scheint an alles gedacht zu haben. Hinter all diesen Plänen schimmert allerdings eine Sorge durch, die freilich nicht offen ausgesprochen wird: Werden die künftigen Bewohner ihr Zuhause so annehmen, wie Stadt und Projektverantwortliche sich das wünschen?

"Seestädterin" steht auf einem Stoffbeutel, den Wencke Hertzsch vom Stadtteilmanagement bei sich trägt. Der Begriff fällt häufig bei dem Medienrundgang am Mittwoch, zu dem die Aspern Development AG geladen hat. Er zeugt von den Sorgen der Verantwortlichen. Geht es nach ihnen wird das neue Stadtgebiet in Zukunft nicht von Wienerinnen und Wienern, sondern von Seestädterinnen und Seestädtern bewohnt. Über Identifikation versucht man, das Stadtviertel schmackhaft zu machen.

"Klopf an"

Die beschrifteten Stoffsackerln werden neu zugezogenen Bewohnern als Willkommensgeschenk überreicht. Sie enthalten neben organisatorischen Informationen auch einen Türanhänger, der statt mit dem üblichen "Bitte nicht stören" mit der Aufforderung "Klopf an" versehen ist. Das solle die Leute dazu motivieren, ihre Nachbarn kennenzulernen, sagt Hertzsch. Überhaupt ist man beim Stadtteilmanagement um "Nachbarschaftsbildung" bemüht: "Wenn Menschen umziehen, treffen sie normalerweise auf die ihnen bereits bekannten Strukturen. In der Seestadt Aspern wachsen diese Strukturen mit der zuziehenden Bevölkerung mit." Das sei unüblich, begründet Hertzsch ihre Bemühungen.

Man müsse deshalb zeigen, dass bereits viele Akteure vor Ort sind, und auch versuchen Brücken zu den umliegenden Regionen und der dortigen Infrastruktur zu schlagen. Schon jetzt kämen rund 500 Personen monatlich in das derzeit noch provisorische Container-Büro des Stadtteilmanagements auf der ehemaligen Rollbahn, um sich über ihr zukünftiges Leben als Seestädterinnen und Seestädter zu informieren.

Bevölkerung einbinden

Sorgen machen auch infrastrukturelle und behördliche Fragen. Bisher laufe alles nach Plan, sagt Gerhard Schuster, Vorstand der Aspern Development AG im STANDARD-Gespräch. Man sei aber von gesetzlichen Fristen und politischen Beschlüssen abhängig und auf Betriebe wie ÖBB und Wiener Linien angewiesen. Mehrere Busse sollen bald durch die Seestadt verkehren, bei der U-Bahn-Station Aspern Nord soll in Zukunft auch eine Schnellbahn halten. Finanzielle und zeitliche Fragen begleiten das Projekt ebenfalls. Auch das Wetter spiele eine Rolle, denn Regen könne den Zeitplan nach hinten verschieben. Die Qualität eines Projektes zeige sich aber erst daran, ob es Rückschläge aushält, sagt Schuster. Man wolle die künftige Bevölkerung auch in Entscheidungen einbinden, "falls es Bedürfnisse gibt, an die wir noch nicht gedacht haben".

Von Pflicht- und Kürprogramm

Und auch im Bereich Mobilität hofft man, an alles gedacht zu haben. Ein weiteres Goodie, das den Einwohnern das Leben erleichtern soll, ist die Seestadt-Mobilitätskarte. Mit ihr können sie beispielsweise das seestädtische Fahrradverleihsystem kostenlos nutzen. Die Leihräder soll es auch in E-Bike-Ausführung mit Lastenanhänger geben. Ein Raddepot-Prototyp - eine geschlossene, absperrbare Radabstellanlage für sechs bis acht Räder - wird gerade getestet. Das Car-Sharing-Unternehmen soll auch größere Automodelle für Transporte anbieten.

"Das Pflichtprogramm steht schon", sagt Schuster. Das "Kürprogramm" müsse noch gestaltet werden. Dazu gehört auch eine Freiluftarena mit Bühne, die bei der Station Aspern Nord gebaut wird. Die Seestadt solle über die Grenzen Wiens hinaus als Ort der Kultur etabliert werden. (Christa Minkin, derStandard.at, 29.10.2014)