Thomas Schreiner ist mit seinen 1,95 Metern ein eher kleinerer Basketballer.

Foto: Martin Images / MoraBanc Andorra

Sportlich ist er für Österreich aber eine Ausnahme. In Spaniens Liga ist er mit zuvor aus der Ferne bewunderten Stars auf Augenhöhe.

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Wien/Andorra - Zum Glücklichsein braucht Thomas Schreiner nicht viel. Gewohnt hat er 24 Jahre lang in St. Pölten. Seit mittlerweile drei Jahren ist der Pyrenäenstaat Andorra seine Heimat. Wirklich gelebt hat er aber die meiste Zeit seines Lebens in der Basketballhalle. In Andorra la Vella kann er dort zu jeder Tages- und Nachtzeit hinein, mit Unterstützung hunderte Würfe aus dem Handgelenk schütteln. "Das ist mein Paradies", sagt Schreiner.

Mit 27 Jahren spielt der Niederösterreicher seine dritte Saison bei BC Andorra. Heuer ist der Klub erstmals in die Asociación de Clubs de Baloncesto (ACB), die erste spanische Liga, aufgestiegen. Schreiner ist damit auch der erste gebürtige Österreicher in der besten Liga nach der National Basketball Association. Am dritten Spieltag wurde er zum Spieler der Runde gewählt, er erzielte beim bisher einzigen Saisonsieg Andorras 14 Punkte, traf vier von fünf Dreipunktwürfen. In der ACB läuft alles herum, was es nicht in die NBA schafft, Nationalspieler aus aller Herren Länder. Schreiner muss sich manchmal noch zwicken, wenn er überlegt, gegen wen es da geht. "Das sind Stars, die ich auf Youtube angehimmelt habe. Der Respekt ist riesig, aber während des Spiels kommst du drauf, dass du auf Augenhöhe bist."

Schreiner ist auch Nationalspieler, ein österreichischer halt. Die EM-Qualifikation wurde zuletzt knapp verpasst, einige enge Partien im Schlussviertel wurden verloren. Das Ziel, Großes mit Österreich zu erreichen, bleibt.

Die Augen des Vaters

Dafür opfert Schreiner seit zehn Jahren seinen Sommer. Daheim hat er sich auch immer geschunden, auf der Laufbahn, in der Kraftkammer, unter den wachsamen Augen seines Vaters Hubert, einer der prägenden Trainerfiguren des Landes. Mehr als zwei Wochen Pause pro Jahr gab es nicht. Warum auch? "Ich war manchmal müde, aber immer motiviert. Mein Ziel war es seit jeher, ins Ausland zu gehen."

Geschafft hat es Schreiner relativ spät, mit 25 Jahren. Zugetraut haben ihm das in der österreichischen Szene nicht viele. Er sei nicht athletisch genug, hieß es. Genugtuung empfindet Schreiner nicht. "Österreich orientiert sich zu sehr an Deutschland, wo das körperliche Spiel im Vordergrund steht. Die technische Ausbildung ist aber auch wichtig. Im spanischen Basketball ist vor allem viel Spielverständnis gefragt." Schreiners Philosophie deckt sich mit der seines Trainers, ergo harmonieren die beiden gut, und Schreiner bekommt viel Verantwortung auf dem Feld übertragen.

Budgetunterschiede

B. C. River Andorra ist mit acht Millionen Euro ein Budgetzwerg in der Liga, in Österreich knackt kein Bundesligist die zwei Millionen Euro. Für den erstmaligen Aufstieg in die ACB müssen Vereine 1,5 Millionen Lizenzgebühr zahlen und noch einmal so viel für eine Versicherung gegen eine Insolvenz im Abstiegsfall.

Seit dem Aufstieg ist Andorra quasi verrückt nach Basketball, Schreiner, der ganz passabel Spanisch parliert, wird auf der Straße regelmäßig angesprochen. Nur Fußball ist in Spanien populärer als Basketball. "Der Clásico ist natürlich auch bei uns eine Woche vorher und eine Woche nachher Gesprächsthema in der Garderobe." Neben den großen Zeitungen AS und Marca steht vor allem das andorranische Regionalfernsehen jeden Tag vor der Vereinstür. "Im Bus oder Auto laufen Spiele live im Radio. In Österreich hören sich die Leute lieber DJ Ötzi an."

Internationale Besetzung

Die Mannschaft ist durch und durch international besetzt mit Spielern aus Mexiko, Portugal, Bulgarien, Griechenland. Dazu gibt es vier Katalanen und zwei Spanier. Das Ziel in dieser Saison ist der Klassenerhalt. Die ACB stellt fünf Teams in der Euro League, mit Barcelona und Real sind die Kräfteverhältnisse ähnlich wie im Fußball, da kann man sich Watschen einfangen.

Schreiner lebt allein in Andorra la Vella. Die Umstellung war nicht gewaltig. Auf mehr als 1000 Meter Seehöhe gelegen, ist die Stadt so frisch wie mancher Skiort in Österreich. Und mit 50.000 Einwohnern ist Schreiner vergleichsweise wieder in St. Pölten gelandet. "Ich bin kein Großstadtmensch. Aber vielleicht gebe ich mir auch mal das Strandfeeling, Basketball in einer Metropole. Barcelona soll ziemlich cool sein." (Florian Vetter, DER STANDARD, 30.10.2014)