Wien - Zwei der seit über zwei Monaten in U-Haft sitzenden mutmaßlichen Islamisten, gegen die die Staatsanwaltschaft Wien wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ermittelt, sollen bereits vor ihrer Festnahme zweimal versucht haben, illegal nach Syrien zu gelangen, um sich dem bewaffneten Jihad anzuschließen. Davon geht die Polizei aus, wie sich aus dem Ermittlungsakt ergibt.

Am 18. August waren neun gebürtige Tschetschenen festgenommen worden, als sie, aufgeteilt auf zwei Autos, über die Grenzübergänge Nickelsdorf beziehungsweise Thörl-Maglern Österreich verlassen wollten, um sich laut Erkenntnissen des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in Syrien aufseiten der IS-Miliz "auf Kampfhandlungen einzulassen".

Sieben Männer im Alter zwischen 18 und 27 und eine 19-jährige Frau sitzen seither in U-Haft, der jüngste mutmaßliche Jihadist, ein 17-jähriger Schüler, wurde aufgrund seines Alters vorerst auf freien Fuß gesetzt. Festgenommen wurde auch der Fahrer des größeren Autos, ein 34-jähriger aus der Türkei stammender vierfacher Familienvater. Dieser dürfte laut Ermittlungsbehörden nicht nur von der Notstandshilfe gelebt haben. Er soll in der radikalislamistischen Szene als Schlepper bekannt gewesen sein und wiederholt angehende "Gotteskrieger" gegen Entgelt in die Türkei gebracht haben, von wo aus die Islamisten ohne Visum versuchten, illegal nach Syrien zu kommen.

Von der Polizei aufgegriffen und abgeschoben

Der 34-Jährige – sein jüngstes Kind kam zwei Tage vor seiner Festnahme zur Welt – soll am 10. Juni vier Männer über Bulgarien in die Türkei geschleust haben, wobei es sich bei dem Quartett laut Polizei um kampfbereite Jihadisten handelte. Zwei seiner im August festgenommenen "Kunden" - 20 und 25 Jahre alt - brachte der 34-Jährige schon am 17. Juli gemeinsam mit zwei weiteren Männern in einem dunkelblauen Audi nach Bulgarien, wo er sie einem Komplizen übergab, der das Quartett zu Fuß über die bulgarisch-türkische Grenze führte. Beim Versuch, nach Istanbul zu gelangen, wurde die Gruppe allerdings von der Polizei aufgegriffen und aufgrund fehlender Reisedokumente abgeschoben.

Die 20 und 25 Jahre alten Islamisten unternahmen mit einem 27-jährigen, ebenfalls am 18. August festgenommenen Glaubensbruder Anfang August einen weiteren Versuch, Syrien zu erreichen. Laut Polizei chauffierte sie der 34-jährige Schlepper in die südostanatolische Stadt Gaziantep. Erneut wurden die Männer von der türkischen Polizei kontrolliert und mussten aufgrund fehlender Visa umkehren. Zum Teil kehrten sie per Autobus nach Wien zurück, wo zumindest einer von ihnen erst in den frühen Morgenstunden des 18. August eintraf.

Ziel: Bewaffneter Jihad

Nur wenige Stunden später startete der dritte Ausreiseversuch, bei dem dann die inklusive Schlepper auf zehn Personen angewachsene Gruppe - der 34-Jährige holte ab 14 Uhr die mutmaßlichen Islamisten an ihren Wiener Wohnadressen ab - festgenommen wurden. Während die gebürtigen Tschetschenen seither durchwegs behaupten, sie hätten nicht nach Syrien gelangen, sondern in Griechenland beziehungsweise Italien Urlaub machen wollen, legte ihr Schlepper eine Art Geständnis ab.

Die Gruppe habe "definitiv die Absicht" gehabt, "sich nach Syrien in den bewaffneten Jihad zu begeben", wird der 34-Jährige im Abschlussbericht des LVT zitiert. Er selbst habe nur aus finanziellen Erwägungen mitgemacht: "Die ganze Sache war wirklich nur wegen des Geldes." Durchschnittlich 500 Euro soll er pro Person kassiert haben. Den 17-Jährigen habe er eigentlich nicht mitnehmen wollen, erzählte der Mann der Polizei. Dieser sei ihm zu jung erschienen: "Er wollte aber nicht von seinem Willen loslassen." (APA, 29.10.2014)