Für Ralph Hasenhüttl ist der erhobene Daumen fast zum Dauerzustand geworden. Sein Vertrag in Ingolstadt gilt bis 2016. Der Steirer fühlt sich jedenfalls reif für die große Bundesliga.

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Goldgriff Hinterseer trifft und trifft.

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Wien/Ingolstadt - Ralph Hasenhüttl bekommt dieser Tage "das Grinsen nicht aus meinem Gesicht. Ich wehre mich auch nicht dagegen." Andere mögen zürnen oder weinen, sollten sie auf der Autobahn im Stau stecken, "ich lächle vor mich hin. Denn das Leben ist wunderbar, es passt alles zusammen." Der 47-jährige Grazer ist Trainer des deutschen Zweitligisten FC Ingolstadt 04. Der nicht gerade traditionsreiche Verein führt die Tabelle nach elf Runden ungeschlagen an. Der Vorsprung auf die zweitplatzierte Fortuna Düsseldorf beträgt fünf Zähler. Was laut Hasenhüttl viel und wenig zu bedeuten hat. "Die Punkte wurden erarbeitet, sind kein Zufall, sondern auf guten Fußball zurückzuführen. Die nimmt uns keiner mehr. Vom Aufstieg zu träumen wäre Schwachsinn. Der Marathonläufer, der sich nach fünf Kilometern Gedanken über den Sieg macht, wird vor dem Ziel total einbrechen."

Ingolstadt ist Hasenhüttls dritte Trainerstation. Unterhaching (2007 bis 2010) und Aalen (2011 bis 2013) waren die beiden anderen Arbeitgeber, es gibt durchaus kultigere Adressen. "Es hat aber Vorteile. Man muss sich nicht dauernd anhören, dass früher alles besser war. Insofern kann man sich auf die Arbeit konzentrieren und gestalten. Guter Fußball benötigt keine Tradition. Es ist angenehmer, hier Geschichte zu schreiben als anderswo an der Vergangenheit zu scheitern. Es darf keine Rolle spielen, ob 40.000 oder 8000 Fans im Stadion sitzen."

Vereinfachungen

Ingolstadt zählt zur Gruppe der 8000. Hasenhüttl: "Aber es werden mehr, man muss die Menschen an etwas Neues langsam gewöhnen." Rein theoretisch könnte der Erfolg auf drei Personen reduziert werden: Hasenhüttl trainiert, Stürmer Lukas Hinterseer schießt die Tore, der 30-jährige Goalie Ramazan Özcan verhindert sie. Hasenhüttl: "Das wäre eine unzulässige Vereinfachung, sie kommt aber in Österreich sicher gut an." Hinterseer sei jedenfalls "ein Goldgriff gewesen. Özcan ist wahnsinnig konzentriert, ohne seine Lockerheit zu verlieren."

Der 23-jährige Hinterseer hält bei fünf Saisontoren, zuletzt hat er dreimal hintereinander den entscheidenden, also goldenen Treffer erzielt. "Das ist schwer zu erklären, ich versuche, aus jedem Winkel abzuschließen. Es gelingt", sagt Hinterseer. Ad Hasenhüttl. "Er gibt viel und verlangt viel. Er vermittelt jedem das Gefühl, wichtig zu sein. Und er lässt einem trotz taktischer Ordnung Freiheiten." Hinterseer ist mit Wacker Innsbruck abgestiegen, aus dem kollektiven Elend ragte er als Kapitän aber doch heraus. Ingolstadt wollte ihn unbedingt. "Für mich war es auch ganz klar." Er ist überrascht, "dass sich kaum ein Medium für uns interessiert. Du bist sensationell Tabellenführer, und es fällt keinem auf. Deutschland ist halt zu groß für Ingolstadt." Lukas wurde selten nach seinem singenden Onkel Hansi gefragt, was ihm prinzipiell wurscht ist. "Aber ich hätte kein Problem, darüber zu sprechen."

Jagdverhalten

Hasenhüttls Trainerphilosophie würde Stoff für eine Dissertation liefern, in aller Verkürzung lautet sie: "Der Ball steht im Zentrum des Handelns, nur so hast du die Chance, ein Spiel offen zu gestalten. Du musst pressen, darfst den Gegner nie zur Ruhe kommen lassen. Er muss das Gefühl haben, gejagt zu werden."

Hinter Ingolstadt steckt logischerweise Audi, der größte Arbeitgeber in der Region. Das Budget liegt im mittleren Bereich der zweiten Liga, Audi investiert in die Infrastruktur. Mit Red Bull und Leipzig ist das nicht zu vergleichen. Wobei Hasenhüttl das Engagement von Dietrich Mateschitz prinzipiell begrüßt. "Das Scouting ist extrem gut, es gibt eine durchgehende Spielphilosophie. Warum man sich gerade Leipzig ausgesucht hat, ist diskutabel, da gibt es keinen Bezug. Salzburg ist logischer. Im Fußball sind Sponsoren notwendig, die Alternative wäre Landesliga."

Hasenhüttl, der einst für den GAK, die Wiener Austria und Austria Salzburg stürmte, bezeichnet sich als "Katastrophenprofi. Ich habe nur vom Talent, Tore schießen zu können, gelebt. Ich wär heutzutage als Fußballer untragbar. Als Trainer habe ich mich entwickelt, mir einen Namen gemacht." Hasenhüttl möchte "sehr lange Trainer sein, mir die Lockerheit bewahren. Irgendwann bin ich reif für die große Bundesliga." Am Freitag gastiert Ingolstadt in Düsseldorf. "Ich will mir das Grinsen bewahren." (Christian Hackl, DER STANDARD, 29.10.2014)