Sieht so das E-Bike der Zukunft aus? Mit schnittigem Design wollen MIT-Forscher mehr Autofahrer zu Radfahrern machen.

Foto: MIT Changing Places Group

Staus kosten, wie man weiß, Zeit, Geld und Nerven: Dennoch setzen sich viele Menschen gerade zur Hauptverkehrszeit in ihr Auto, um Alltagswege erledigen zu können. Wissen sie es nicht besser? Oder fehlt es trotz dichter Netze öffentlicher Verkehrsmittel und Fahrradwegen immer noch an genügend Alternativen?

Die Suche nach einer Antwort beschäftigt die Motivforschung seit vielen Jahren. Dabei wäre ein Umstieg so augenscheinlich vernünftig: Über Stadtmautsysteme und Parkraumbewirtschaftung werden Autofahrer weltweit zur Kasse gebeten. Auch Belohnungen für den Umstieg aufs Fahrrad hat man sich schon einfallen lassen: In der australischen Stadt Brisbane zum Beispiel gibt es für Biker Rabatt auf Kaffee.

Diese Anreize zur Verhaltensänderung seien kurzfristig sicher erfolgreich, sagt Stefan Seer, Mobilitätsforscher am Austrian Institute of Technology (AIT). "Wenn es diese Incentives aber nicht mehr gibt, werden viele Verkehrsteilnehmer wieder in ihre alten Muster zurückfallen."

Kreativlabor am MIT

Forscher des AIT suchen nun gemeinsam mit Kollegen vom MIT Media Lab in Cambridge bei Boston nach Konzepten für einen nachhaltigen Wandel in der Nutzung von Verkehrsmitteln. Im Projekt "Persuasive Urban Mobility" gehen sie konkret der Frage nach, welcher Voraussetzungen es bedarf, um Menschen zu Stadtradfahrern zu machen. Die Rahmenbedingungen für das Projekt könnten nicht besser sein: In der vom Architekten Kent Larson geleiteten Forschungsgruppe Changing Places am Media Labwill man den nötigen Freiraum finden, um Ideen von Experten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen zu sammeln.

Stefan Seer, der das Projekt koordiniert, ist Simulationsexperte. Im Team arbeiten aber auch Ryan Chin, Direktor der City Science Initiative am Media Lab, Raumplanerin Alexandra Millonig vom AIT, die sich mit Mobilitätsverhalten beschäftigt, Sandra Richter, "Marketing-Scientist", sowie Katja Schechtner, Mobility-Forscherin, von der auch die Projektidee stammt.

Seit etwa drei Wochen führt das Team in Boston Tests mit 60 bis 70 Versuchspersonen durch. Am Anfang stand eine Befragung, bei der man herausfinden wollte: "Was sind die größten Barrieren, um den täglichen Weg in die Arbeit mit dem Fahrrad zurückzulegen?"

Zu wenig Sicherheit

Die Antwort war wenig überraschend. Seer: "Die Testpersonen fühlen sich nicht sicher genug. Das ist ein entscheidender Faktor." Es gebe sehr viele "knappe" Situationen im Straßenverkehr von Boston und Cambridge, verursacht zum Beispiel durch Busse, die in die Haltestelle fahren und dabei den Radstreifen kreuzen müssen. Im nächsten Schritt stellte man den Teilnehmern daher einen routinierten Stadtradfahrer, einen Bike-Buddy, zur Seite, der sie bei einer täglichen Radroute begleitet und hilft, die eine oder andere Barriere zu überwinden.

Im Rahmen der Forschungsarbeiten gibt es aber nicht nur Versuche im Freien, sondern auch Tests in einem interaktiven Simulationssetting: Ein Film, der die Straße aus der Sicht des Radfahrers zeigt, wird gestoppt, wenn sich eine heikle Situation anbahnt. Die Forscher fragen die Versuchspersonen: "Wie würden Sie sich entscheiden? Was würden Sie tun?" Danach werden die möglichen Folgen der Entscheidung gezeigt. Geht alles gut? Kommt es womöglich zu einem Unfall?

Schließlich denkt man auch darüber nach, wie man die einmal von der Alternative Radfahren überzeugten Verkehrsteilnehmer an den Drahtesel binden könnte. Die konkrete Idee: ein Programm, wie man es von Vielfliegern kennt: Je mehr man mit dem Rad fährt, desto höher steigt man im Ranking. Je höher man im Ranking ist, desto mehr Möglichkeiten und Rechte innerhalb der Vielradfahrer-Community werden geboten. Seer: "Warum sollten die besten Radfahrer den Newcomern, die erst seit kurzem täglich das Bike nehmen, um zur Arbeit zu kommen, nicht auch etwas schenken wollen?" Einen Gutschein für ein Fahrradservice? Eine App für ein virtuelles Bikerennen? Vieles scheint möglich.

Ein kleines Geschenk

"Ein kleines Geschenk sagt auch etwas aus über den, der es verschenkt", sagt Seer, der vom Altruismus der Nutzer überzeugt ist und die Frage der sozialen Reputation im Projekt untersucht. Zu diesem Zweck wollen die Forscher auch die Vernetzung unter den Community-Mitgliedern fördern und zum gemeinsamen Radeln einladen - was die gefühlte Sicherheit erhöhen sollte.

Am Media Lab wurden parallel dazu schon mehrere Generationen des Persuasive Electric Vehicle (PEV) entwickelt - die auch in Wien getestet werden sollen. Es handelt sich dabei um ein besonders schnittiges, teils elektrisch, teils mit den Beinmuskeln betriebenes E-Bike mit Wetterschild an der Front, mit dem man sicherer, schneller und natürlich auch deutlich cooler als nur mit Pedalen zum Ziel kommt. Bekanntlich sind ja hübsche Designs ideale Verführer, um Menschen zum Kaufen oder - wie in diesen Fall - zum Angewöhnen eines neuen Verhaltens anzuregen, nämlich wann immer es möglich ist, mit dem Rad durch die Straßen zu fahren und das Auto stehen zu lassen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 29.10.2014)