Erfolgreicher Wiederbelebungsversuch eines sterbenden Nahversorgers: Die Bürger von Kaltenberg gründeten "Unser G'schäft"

Foto: Gemeinde Kaltenberg

Linz – Oberösterreich hat ohne die drei Statutarstädte Linz, Wels, Steyr eine durchschnittliche Gemeindegröße von 2.559 Einwohnern. In 92 Gemeinden von 444 leben unter 1.000 Einwohner. Nur die Steiermark, Niederösterreich und Tirol haben noch kleinere Strukturen. Die langsame, aber kontinuierliche Urbanisierung setzt vor allem den kleineren Gemeinden zu, viel diskutiert – und etwa im Bezirk Rohrbach auch realisiert – wird daher über Gemeindefusion.

Doch manch Kleinstgemeinde hat in den letzten Jahren in Oberösterreich Alternativen zur Fusion mit dem Nachbarn überlegt. Der Ansatz war stets, vor (im) Ort Maßnahmen gegen die stetig zunehmende Landflucht zu setzen. Als in Kaltenberg, ein auf einem Plateau über dem Tal der Kleinen Naarn gelegener Mühlviertler Ort mit 640 Einwohnern, der letzte Nahversorger zusperrte, wurden die Bürger selbst aktiv. Die Kaltenberger übernahmen den Dorf laden – auf Vereinsbasis.

Sonntags offen

Der finanzielle Grundstein für das Projekt wurde mit einer Bausteinaktion gelegt, an der sich zwei Drittel der Bevölkerung sowie alle Vereine und Firmen des kleinen Wallfahrtsortes mit mindestens 100 Euro beteiligten. Sie brachte insgesamt 28.500 Euro ein. Die Geldgeber bekommen ihre Investition in Form von Einkaufsgutscheinen zurück.

Im Jänner 2015 feiert "Unser G’schäft" das vierjährige Jubiläum. Auf 88 Quadratmetern können die Kaltenberger auf ein volles Sortiment zu üblichen Preisen vorfinden. Die Öffnungszeiten richten sich nach den Bedürfnissen der Bürger, sogar am Sonntagvormittag kann man einkaufen. Bis auf Fleisch gibt es in der kleinen Greißlerei nun wieder alles, was man an Lebensmitteln braucht, außerdem noch Wolle, Garne, Zeitungen und Zigaretten. Eine Kaffee-Ecke rundet das Angebot ab. Die Umsatzlatte für das Kaufhaus liege bei 150.000 Euro.

Vereinsobmann und Bürgermeister Josef Hinterreither (VP) zeigt sich im Gespräch mit dem Standard auch im vierten Jahr von dem Vereins-Nahversorger-Konzept vollends überzeugt: "Es läuft wirklich gut, alle sind zufrieden." Die Idee des selbstgeführten Geschäfts sei eben "aus der Not heraus" entstanden. Hinterreither: "Weniger Angebot im Ort bedeutet weniger Leben im Ort, das wollen wir vermeiden. Das Problem seien aber nicht die Lebensmittel allein, sondern, dass, wenn ein Teil der Nahversorgung wegfällt, bald "die gesamte Struktur – Post, Bank, Wirt – bedroht ist", warnt das Gemeindeoberhaupt.

Die "Selbst-ist-der-Greißler"-Mentalität beginnt sich langsam, aber sicher auch im übrigen Oberösterreich durchzusetzen. Ähnliche Modelle von kommunaler Selbstversorgung laufen erfolgreich auch in Vorderstoder, in
St. Thomas am Blasenstein, Altmünster oder Eidenberg. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 29.10.2014)