Göttingen - Zahlreiche Gruppen pflanzenfressender Tiere entwickelten im Verlauf der Evolution immer größere Körper. Dieser Trend war bzw. ist im Tierreich derart allgemein verbreitet, dass verschiedene Zusammenhänge zwischen Körpermasse und Ernährungsweise gemutmaßt wurden. Eine dieser Annahmen - nämlich dass ein dank erhöhter Körpergröße voluminöserer Verdauungstrakt die Nahrung besser verwertet - konnte in einer aktuellen Studie jedoch nicht belegt werden, wie die Universität Göttingen berichtet.

Der Vergleich

Ein Forscherteam unter der Leitung der Uni Bonn verglich unter Beteiligung des Departments für Nutztierwissenschaften der Uni Göttingen verschiedenste grasfressende Säugetiere, freilebende ebenso wie in Gehegen gehaltene. Die Bandbreite reichte von 12 Kilogramm Körpermasse bis zu vier Tonnen.

Als Indikator für die Verdaulichkeit bzw. für die Qualität des Futters wurde der Stickstoffgehalt im Kot der Tiere ermittelt. Dieser erhöht sich, wenn im Verdauungstrakt besonders viel Mikrobenmasse gebildet wird, die immer viel Stickstoff enthält. Laut dem Göttinger Forscher Jürgen Hummel zeigte sich dabei, dass die größeren Tiere das Futter "nicht nennenswert" besser verdauen konnten als die kleineren.

Schlechteres Futter ...

Die Ergebnisse widersprachen also der Annahme, dass das Futter in einem voluminöseren Verdauungstrakt länger verbleibt und dadurch zwangsläufig besser verwertet werde. Tatsächlich war die Verweildauer des Futters im Verdauungstrakt der großen Tiere auch nicht zwangsläufig länger als in dem der kleineren. Eine längere Verweildauer ist laut Hummel über ein gewisses Maß hinaus ohnehin nicht sinnvoll, da mit fortschreitender Zeit der Anteil an noch verwertbaren Futterbestandteilen immer weiter abnimmt.

Bei den Tieren in Gehegehaltung konnte für alle das gleiche Futter verwendet werden. Bei den wildlebenden hingegen konnte man nur die Ergebnisse von deren natürlicher Diät untersuchen. Und hier zeigte sich mit zunehmender Körpergröße ein klarer Abfall des Kotstickstoffgehalts. "Dies kann als deutliches Indiz dafür gewertet werden, dass bei den freilebenden Herbivoren die selektierte Futterqualität mit zunehmender Körpergröße tatsächlich abgenommen hat und auch nicht bedeutend durch eine verbesserte Verdauung kompensiert wurde", so Hummel.

... aber soviel davon, dass es reicht

Die evolutionäre Strategie von Großtieren ist es also offenbar nicht, die gleiche Nahrung wie kleinere Arten aufzunehmen und sie einfach nur besser zu verdauen. Eher scheinen sie auch solche von schlechterer Qualität verwerten zu können - einfach weil ihnen ihre Größe ermöglicht, davon ausreichend große Mengen aufzunehmen.

Dazu kommt noch, dass Energiestoffwechsel pro Kilogramm Körpergewicht mit steigender Masse sinkt. Beides zusammen ist ausreichend, dass in Ökosystemen wie etwa der afrikanischen Savanne viele Pflanzenfresser von weit unterschiedlicher Körpergröße nebeneinander gedeihen können. (red, derStandard.at, 2. 11. 2014)