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Farbenprächtige Inszenierung einer Siegerin: Dilma Rousseff gab noch am Abend ihrer knappen Wiederwahl eine Pressekonferenz.

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Als Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff kurz nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses an die Mikrofone trat, war ihr die Erleichterung anzusehen. Ein Lächeln huschte über das Gesicht der sonst so kontrolliert wirkenden wiedergewählten Staatschefin. "Ich verspreche, eine viel bessere Präsidentin zu sein, als ich es bis jetzt war", rief die 66-Jährige enthusiastisch, aber mit heiserer Stimme aus. "Als Präsidentin bin ich bereit für einen Dialog", versprach Rousseff unter dem Jubel ihrer Anhänger in Brasília. "Das ist mein erstes Versprechen in der neuen Amtszeit!"

Der von persönlichen Angriffen und einer Schmutzkampagne geprägte Wahlkampf hat die Gesellschaft tief gespalten. Ihre Wiederwahl verdankt Rousseff dem ärmeren Norden und Nordosten des Landes, wo sie rund 75 Prozent aller Stimmen holte.

Versöhnliche Töne

Der wirtschaftlich starke Süden und die Finanzmetropole São Paulo votierten dagegen fast geschlossen für ihren konservativ-liberalen Herausforderer Aécio Neves. Umso mehr schlug Rousseff in ihrer ersten Ansprache nach der Wiederwahl versöhnliche Töne an und versprach, das Land wieder zu einen. Jetzt sei der Boden geschaffen, um Brücken zu bauen, sagte sie. Die "Hitze des Streits" müsse in positive Energie umgewandelt werden.

Vor allem muss Rousseff das Vertrauen der Wirtschaft wieder zurückgewinnen. "Die neue Regierung wird nicht um harte Reformschritte herumkommen", prophezeit Eduardo Sampaio, Chef von FTI Consulting Brasilien. Die aktuelle Situation mit einer steigenden Inflation, geringem Wachstum und ausufernden Staatsausgaben sei ein "explosiver Cocktail".

In diesem Jahr wird das Wirtschaftswachstum knapp unter einem Prozent liegen, die Inflation gleichzeitig über die Marke von 6,5 Prozent klettern. Die Wirtschafts- und Finanzelite hatte sich im Wahlkampf deshalb geschlossen hinter Neves gestellt, der einen liberalen Kurs versprach.

Mehr Autonomie für Finanzminister

Rousseff hatte dagegen mit einer interventionistischen Politik und ihrer Einflussnahme auf Zentralbankentscheidungen nach Meinung von Unternehmern die Wirtschaft an den Rand einer Rezession gebracht. Mit Spannung wird deshalb auf die Nominierung des neuen Finanzministers gewartet, dem die Präsidentin nach Aussage von Vertrauten mehr Autonomie geben will. Er soll die Börse beruhigen und verstärkt Investoren ins Land holen.

Gleichzeitig versprach die neue Präsidentin die Fortführung milliardenschwerer Sozialprogramme wie "Bolsa Família" und Leistungen für den sozialen Wohnungsbau, von denen rund 50 Millionen Brasilianer profitieren.

Rousseff hatte im Kongress durchgesetzt, dass 75 Prozent der Gewinne aus der Erdölförderung in die Finanzierung der Sozialprogramme fließen. Allerdings war der staatliche Ölkonzern Petrobras jüngst in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt und enttäuschte auch in seiner Bilanz. Fraglich ist deshalb, wie Lateinamerikas größte Volkswirtschaft künftig die umfangreichen Transferleistungen finanzieren will.

Während die Anhänger von Rousseff in der Wahlnacht ausgelassen den Sieg feierten, stand Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit besorgtem Gesicht am Rande der Veranstaltung. "Es wird nicht leicht, eine Koalition aus 28 Parteien im Kongress zu formen", sagte er zu Journalisten. "Wir müssen uns in Koexistenz üben." Anders als oft in der europäischen Politik gibt es in Brasilien keine festen Koalitionen.

Suche nach Verbündeten

Die Präsidentin muss sich für jedes Gesetzesprojekt neue Verbündete suchen. Und das wird angesichts der Zusammensetzung im Parlament schwierig. Im Kongress konnten die Oppositionsparteien knapp 60 Prozent der 513 Sitze für sich gewinnen. Am stärksten sind die konservativen Gruppen der Agrarlobby und der Evangelikalen, die schon eine Liste von Regierungsprojekten aufgestellt haben, die sie blockieren wollen.

Neben der Präsidentschaft wurde auch über die Gouverneure in den Bundesstaaten abgestimmt. Die Arbeiterpartei und ihre Koalitionspartner konnten in 15 Bundesstaaten gewinnen. Die Opposition wird von Gouverneuren in zwölf Bundesstaaten unterstützt. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, DER STANDARD, 28.10.2014)