Dass es dann doch zu einem knappen Duell zwischen Premier und Präsident um Platz eins kommen würde, damit hatte vor der Wahl niemand gerechnet. Umfragen sahen den ukrainischen Premier Arsenij Jazenjuk vor der Wahl am Sonntag nur im Kampf um Platz zwei mit der Radikalen Partei von Oleg Ljaschko. Mindestens zehn Prozentpunkte werde Jazenjuks Volksfront hinter dem Block des Präsidenten Petro Poroschenko zurückbleiben, sogar von einem möglichen einstelligen Ergebnis war da noch die Rede.

Nach einem Auszählungsgrad von knapp 40 Prozent der Stimmen hat sich das Blatt aber nun in eine ganz andere Richtung gewendet. Jazenjuk liegt mittlerweile sogar 0,1 Prozentpunkte vor Poroschenko. Das Rennen ist nach wie vor nicht entschieden. Eines zeigen die eklatanten Fehlprognosen vor der Wahl, die über die übliche Schwankungsbreite hinaus danebenlagen, aber schon jetzt: wie sehr die Umfragen der ukrainischen Meinungsforschungsinstitute Teil der Stimmungsmache im Wahlkampf waren. Selbst die Parteien aus dem extrem rechten Spektrum, die oft erst bei der Wahl reüssieren, kamen an ihre Umfragewerte nicht heran.

Für die krisengebeutelte Politszene der Ukraine ist das knappe Ergebnis nun allerdings ein wichtiger Anlass, Demokratie zu üben. Selbst wenn Jazenjuk doch nicht zum Wahlsieger gekürt wird, geht er gestärkt aus dem Urnengang hervor. Sein Amt wird er mit großer Wahrscheinlichkeit behalten können. Poroschenko hingegen wird auch weiterhin nicht im Alleingang über die Geschicke des Landes bestimmen können, sondern muss auf Zusammenarbeit im Parlament mit den prowestlichen Kräften bauen. Sollten sich Poroschenko und Jazenjuk nicht in naher Zukunft überwerfen, dann wird die Ukraine weiterhin mit ihrer Doppelspitze in Richtung EU schielen. (Teresa Eder, derStandard.at, 27.10.2014)