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Bis zu einer Million Italiener protestierten in Rom gegen die geplante Arbeitsmarktreform von Regierungschef Matteo Renzi.

Foto: AP / Andrew Medichini

Bis zu einer Million Italiener protestierten am Samstag in Rom gegen die Arbeitsmarktreform und den Stabilitätspakt von Regierungschef Matteo Renzi. Der vom linken Gewerkschaftsverband CGIL organisierten Protestkundgebung hatten sich auch der linke Flügel der Regierungspartei PD, Alt- und Neukommunisten, die Grünen und die von Niki Vendola geführte Partei SEL angeschlossen. Kurzum: All jene, die mit dem Reformprogramm der Koalitionsregierung in Rom nicht einverstanden sind, gingen auf die Straße. Gewerkschaftsführerin Susanna Camusso drohte mit einem Generalstreik, sollte die Regierung nicht den "Jobs Act" ändern.

Gleichzeitig zum Massenprotest in Rom hatte Regierungschef Renzi nach Florenz zu einem Forum geladen, bei dem rund hundert Arbeitsgruppen neue Modelle für Italiens Modernisierung ausarbeiten sollten. Renzi wirft dem Gewerkschaftsverband CGIL vor, nur die Interessen jener Menschen zu vertreten, die bereits einen Arbeitsplatz haben, jene mit Zeitverträgen oder Arbeitslose aber unbeachtet zu lassen.

Zwei wichtige Gewerkschaftsverbände, CISL und UIL, distanzierten sich vom Protestmarsch. Die Altkommunisten werfen Renzi Ideologiemangel vor. Nach dem Protestmarsch in Rom sei ein Zusammenleben im Demokratenlager schwieriger geworden, analysierte der Soziologe Ilvo Diamanti von der Universität Urbino.

Während in Rom der Protestmarsch mit gewohnten Schlagworten wie "Recht auf Arbeit" und "Nein zur Lockerung des rigorosen Kündigungsschutzes" abgewickelt wurde, referierten in Florenz auf Einladung Renzis namhafte Unternehmer wie Brunello Cucinelli (Luxusmode), Oscar Farinetti (Eataly) oder Prada-Chef Patrizio Bertelli über einen neuen Kapitalismus, der die Würde der Arbeitnehmer garantieren soll. Aufsehen erregte Davide Serra, Gründer des Fonds Algebris, der das Streikrecht Angestellter im öffentlichen Dienst infrage stellte. Renzis Schlussappell lautete, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich stärker annähern sollten und statt eines Kontra ein Pro vorherrschen müsse.

Italiens Regierungschef muss nicht nur gegen seine eigene Partei, sondern auch gegen Brüssel ankämpfen. Heute, Montag, wird die Regierung den Mahnbrief aus Brüssel beantworten: Rom will das strukturelle Haushaltsdefizit 2015 nicht nur um 0,1, sondern um 0,3 Prozent verbessern. Dies kostet der Regierung zusätzlich rund vier Mrd. Euro. Brüssel hatte ursprünglich einen Abbau um 0,7 Prozent gefordert. Bei dem um ein Jahr auf 2017 verschobenen Haushaltsausgleich zeigt sich Renzi nicht kompromissbereit. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, 27.10.2014)