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Vom Ameisen- bis zum Fußgängerbeauftragten: Die Gattung gilt als ausgesprochen vermehrungsfreudig. Fehlt nur noch der Beauftragtenbeauftragte.

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Begonnen hatte es in den 1990er-Jahren mit einem Scherz. Wobei das Thema selbstverständlich ein todernstes war - über Hunde und ihre Trümmerln scherzt man nicht in Wien. Auch die Helmut-Zilk'sche Einsetzung einer Hundekommission mag für manche zwar lachhaft, aber sicher kein Witz gewesen sein. Gescherzt wurde allerdings über den in seinem kläglichen Scheitern legendär gewordenen Hundekommissionsvorsitzenden - und so wurde der VP-Politiker Franz Karl auch nie mit seinem offiziellen Titel genannt, sondern war alsbald: der Hundstrümmerlbeauftragte.

Jahrzehnte und eine imposante Bürgerinitiative später ist längst nicht mehr nur ein Beauftragter für die Hunde und ihre Trümmerln zuständig - sondern ein ganzes Rudel, das allerdings sehr neudeutsch und unelegant "Wastewatcher" genannt wird. Letztlich sind aber auch sie ein Haufen Häuferlbeauftragter - anders bekommt man den Kot in Wien offenbar nicht in den Griff. Oder besser gesagt von der Sohle.

Oder gar ein Sonderbeauftragter

Genau genommen war Franz Karl gar kein richtiger Beauftragter, sondern Politiker. Aber mit der volksmundlichen Benamsung war die Gattung der Beauftragten in ihrer wienerischen Ausprägung erstmals auf den Plan getreten - und erwies sich ab Beginn der rot-grünen Koalition dann auch als ausgesprochen vermehrungsfreudig. Fahrradbeauftragter, Fußgängerbeauftragte, Universitätsbeauftragter, Seniorenbeauftragter, Garagenbeauftragter, Landesenergiebeauftragter, Parkpickerlbeauftragter und als Hochblüte der Wiener Beauftragungskultur der Schulschwänzerbeauftragte.

Diese Aufzählung erhebt keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit. Und wie Karl Kraus in den Letzten Tagen der Menschheit den Bombenwerfer und den Oberbombenwerfer verewigte, gilt es sehr fein zu unterscheiden, ob es sich um einen normalen Beauftragten oder gar um einen Sonderbeauftragten handelt. Da liegen statusmäßig Welten dazwischen.

Sie sollen Kümmerer sein

Warum speziell in Wien so gerne beauftragt wird? Vielleicht ist dies bereits in der Mundart begründet: "Oida, host an Auftrag?" Eindeutig ist jedenfalls das Motiv, das hinter dieser Beauftragungsitis steckt: In der Hochburg der Raunzerei, in der nicht mehr messbar ist, ob das Image von Politikern oder jenes der Beamtenschaft inferiorer ist, braucht es so etwas wie Zwitterwesen, die weder Fisch noch Fleisch sind, sondern irgendetwas dazwischen. Personen, die nicht in die Klischees von Amtsschimmel und "Die Gfrasta da oben" reinpassen und vor allem eines sein sollen: Kümmerer.

Um nichts anderes geht es, und sonst bleibt ja alles beim Alten: Die Beamten bereiten Entscheidungen vor, die Politiker entscheiden oder drücken sich drum rum, und die Beamten setzen das dann um. Bei Nichtentscheidungen kommt halt wieder der gute alte Heidegger zum Zug: "Das Nichts nichtet." Aber ob jetzt etwas passiert oder auch nicht: Der Kümmerer kümmert sich darum. Das ist ja der Auftrag des Beauftragten. Und der Eindruck entsteht: Es tut sich ja eh was.

Der selbsternannte Bettlerbeauftragte

Die Wiener Beauftragungseuphorie ist längst zur Selbstverständlichkeit geworden. So verwunderte es vor zwei Jahren auch niemand, als eines Tages auf dem Siebenbrunnenplatz eine Frau in roter Jacke erschien und Flyer verteilte, auf denen ein gewisser Stefan Olah als neuer "Bettlerbeauftragter der Stadt Wien" präsentiert wurde. Bei genauem Hinsehen stand da allerdings "Statt Wien" und das Versprechen, alle Spenden an Bettler würden an diesem Tag von der Kommune verdoppelt - war nichts anderes als eine Kunstaktion. Die Grünen waren von dem Projekt begeistert.

Wobei man die Kirche im Dorf lassen muss: Beauftragte zu kreieren ist keine reine Wiener Spezialität. Nicht nur die Wiener, sondern auch die Niederösterreicher, Salzburger, Steirer, Oberösterreicher und die Tiroler haben je einen Biberbeauftragten und die sind per Definition "Ansprechpersonen im Auftrag der Behörde, zuständig für Anfragen und Konfliktlösungen bzw. von der Behörde namhaft gemacht".

Landesbeauftragter für Wölflinge

Beauftragte müssen auch nicht unbedingt "bzw. von der Behörde namhaft"-Gemachte" sein. Und das österreichische Beauftragungswesen beginnt ja schon sehr früh - ja sogar schon bei den Pfandfindern mit den "Landesbeauftragten für Wölflinge". Wer diese Position einmal innehatte, hat das Beauftragtsein schon intus. Der oder die kann gleich einmal überlegen, wie es auf dem Lebensweg weitergehen soll: Vielleicht zunächst einmal in der Privatwirtschaft beginnen - als Brandschutzbeauftragter oder als Abfallbeauftragter eines Betriebes, der dann zum Umweltbeauftragten aufsteigen könnte. Ein gemeiner Energiebeauftragter könnte vielleicht einmal zu einem niederösterreichischen Gemeindeenergiebeauftragten avancieren. Und in einem Gleichstellungsbeauftragten steckt vielleicht auch noch ein genialer Gender-Mainstreaming-Beauftragter.

Besondere Vorkenntnisse

Wer sich zum Beauftragtwerden berufen fühlt, braucht sich in diesem Land wahrlich keine Sorgen machen, ob er auch etwas Passendes findet. Für manche Beauftragungen muss man allerdings auch etwas mitbringen. Ein Giftbeauftragter kann schließlich nicht jeder werden. Und der braucht auch ganz andere Vorkenntnisse als etwa ein Strahlenschutzbeauftragter, eine Gefahrengutbeauftragte, ein Brandschutzbeauftragter oder gar ein "Beauftragter im Wasserrecht", ein "Beauftragter im Mineralrohstoffgesetz (MinroG)", eine Laserschutzbeauftragte oder gar ein "Beauftragter für die biologische Sicherheit".

Wer ein passionierter Kümmerer ist, der findet sicher etwas. Wenn jemand beispielsweise glaubt, in ihm stecke ein wirklich ausgezeichneter Anti-Doping-Beauftragter, hat auf jeden Fall gute Chancen. Da gibt's nämlich für jeden Sportverband einen eigenen - und da werden im Internet gleich 58 Anti-Doping-Beauftragte namentlich aufgelistet. Die Anti-Doping-Beauftragung für den österreichischen Aero-Club scheint derzeit sogar vakant zu sein.

Auf hohem Niveau piperln

Wer hingegen meint, auf hohem Niveau zu piperln, sei sein ureigenster Auftrag, kann sogar internationale Karriere machen: Der renommierte US-amerikanische Weinpublizist Robert Parker hat für seine Beurteilungswerke einen eigenen Österreich-Beauftragten. Okay, der ist auch für Deutschland zuständig - beauftragt wird also nicht nur in Österreich.

Im Umgang mit Beauftragten muss man allerdings aufpassen: Oft beschreiben die Bezeichnungen nämlich nicht präzise das, was der Beauftragte dann auch wirklich tut. Der oberösterreichische "Anti-Atombeauftragte" beispielsweise ist nicht - wie sein Name vermuten ließe - für die Vernichtung von Atomen zuständig. Er ist also nicht gegen die Atome an sich. Sonst müsste er ja unverzüglich in einen erbitterten Konflikt mit dem gesetzlich verankerten "Beauftragten für nukleare Sicherheit" geraten. Wie auch der schon erwähnte Wiener Schulschwänzerbeauftragte eben nicht für die Koordination von Schwänzern oder die Förderung der Schwänzerei zuständig ist - auch wenn er die "Entwicklung von Hilfsangeboten für Betroffene" in seinem Programm verspricht.

Der Ameisenbeauftragte

Und: Manchmal lauern Beauftragte genau dort, wo man sie am allerwenigsten erwartet. Vor dem Bau des Schubhaftzentrums im steirischen Vordernberg musste ein aufwändiges Genehmigungsverfahren abgewickelt werden. Da ging es um Hochwasserschutz, eine stillgelegte Eisenbahntrasse, und es wurde diskutiert, ob es im Brandfall genug Löschwasser gebe. Eine besondere Hürde vor dem Baustart war allerdings: ein Ameisenhaufen auf dem Gelände. Nach der wasser- und naturschutzrechtlichen Verhandlung wurde daher per Bescheid festgelegt, dass dieser Haufen roter Waldameisen zu übersiedeln sei. Aber das darf nicht jeder dahergelaufene selbsternannte Ameisenverleger, sondern einzig und allein: der Ameisenbeauftragte.

Ja, auch die gibt es: Ameisenbeauftragte kommen von der Berg- und Naturwacht und müssen einen Ausbildungskurs zum "Waldameisenheger" absolviert haben. Allein in der Steiermark gibt es 28 Berg- und Naturwächter mit der Lizenz zum Ameisenhügelumsetzen.

Des werma scho' seh'n

Aber dies ist ebenfalls keine österreichische Spezialität. Auch in Deutschland gibt es mehrere derartige Ameisenbeauftragte in Ameisenschutzverbänden. Nur heißen sie dort meist "Ameisenwart". Ameisenwart - was für ein Wort! Da bleiben wir lieber bei den österreichischen Beauftragten. "Wart" das klingt doch gleich nach Aufpasser, irgendwie zackig und zwänglerisch. Aber ein Beauftragter? Das tönt doch gleich viel gemütlicher. Der hat einen Auftrag. Ob er ihn aber auch ausführt? Des werma scho' seh'n. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 25.10.2014)