Wolfgang Stifter: "Der blaue Reiter" (2011), Eitempera und Tusche auf Leinwand. Nicht immer führen seine Titel zum Ausgangspunkt der Bild-, Welt- und Kunstbetrachtung zurück.

Foto: Wolfgang Stifter

Verschlüsselte Erzählungen aus Farbe und Form, Schriftbilder, deren Schrift nicht zu entziffern ist, tänzelnde Linien, monumentale Dimensionen, Kirchenfenster, poetische, feinnervige Zeichnungen: Wolfgang Stifter ist so schnell nicht festzulegen auf Medien und Formate.

Anders gesagt: Er macht, was er will, unabhängig von Trends und diskursiven Zwängen. Stifter, der bei Max Melcher, Herbert Boeckl und Joannis Avramidis an der Akademie am Schillerplatz studierte, ist ein aus dem Kunsthimmeldiktat gefallener Weltausmaler, ein Spurenleger, Zeichensetzer, Naturbeschreiber, Grafiker, Büchermacher, Objektkünstler und bis vergangene Woche auch Lehrer für Werkerziehung an der Linzer Kunstuniversität. Von 1991 bis 2000 war er deren Rektor, ihm ist der Wandel der Hochschule zur Universität zu verdanken.

Gott- und Natursucherbande

Unübersehbar ist Cy Twombly eines seiner Vorbilder, Stifter will das auch gar nicht leugnen. Ebenso wenig wie die spirituellen Anklänge seiner malerischen Farb- und Gedankenmelodien: Wir wissen nicht, woher wir kommen, heißt eines der Bilder. Ein anderes, titelgebend für die Ausstellung in der Grazer Galerie Schafschetzy, erzählt über Das Erschaffen der Welt.

Das hat auch etwas mit den familiären Wurzeln des 1946 geborenen Oberösterreichers zu tun. Irgendwie gehören die Stifters, die über Ecken auch mit dem biedermeierlichen Naturbeschreibungsgenie Adalbert Stifter verwandt sind, nämlich zur Gott- und Natursucherbande: Wolfgangs Vater Alfred Stifter (1904-2003) war in Oberösterreich für seine Kirchenfenster, Fresken und Mosaike bekannt. Bruder Georg (Jahrgang 1940) beschäftigt sich als Grafiker und Objektkünstler mit Naturmaterialien im öffentlichen Raum.

Mythischen wie philosophischen Themen, Naturerlebnissen, Beobachtungen passt Wolfgang Stifter sein künstlerisches Vokabular und die Farbwahl an: gern Blau, vor allem Rotschattierungen, Kreidezeichnungen mit Eitempera auf Offsetbüttenkarton, Pinselzeichnungen auf chinesischem Reispapier, chinesische Tusche, Aquarell, Öl, Leinwand, Karton, raumgreifende Kunst im öffentlichen Raum.

Ehe er zu arbeiten beginnt, schaut Stifter in die Natur und hinter die Welt. Doch seine Titel eignen sich nicht für motivische Rückschlüsse: Viele führen in die Irre, nur manche zum Ausgangspunkt der Bild- und (Kunst-)Geschichtsbetrachtung zurück. (Andrea Schurian, Album, DER STANDARD, 25./26.10.2014)