Brüssel/Wien - Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat Medienberichte zurückgewiesen, wonach die Brüsseler Behörde eine Art "Krieg" in Budgetangelegenheiten gegen einzelne Staaten führe. Italien hatte zuletzt einen Brief von Vizepräsident Jyrki Katainen veröffentlicht, in dem die Kommission von Rom mehr Klarheit über die Budgetplanung 2015 haben will.

"Es ist absolut falsch zu behaupten, dass die Kommission Italien gezwungen hat, den Brief zu veröffentlichen." Es sei aber Aufgabe der Kommission, auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Wenn es Zweifel über Budgetmaßnahmen gebe, müsse die Brüsseler Behörde ein Schreiben mit einer Frist zur Beantwortung an ein Land aussenden. "Das ist keine Art von Krieg."

Wenn die Kommission nicht mehr ihrer Aufgabe als Hüterin der Verträge nachkomme, würde das Vertrauen in die EU-Institutionen sinken, sagte Barroso. Gleichzeitig betonte er, dass es genügend Flexibilität in den Verträgen gebe. "Wir sind in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation. Wir hatten früher eine katastrophale Lage, jetzt nicht mehr. Aber wir befinden uns nahe einer Deflation. Die Kommission wird die Regeln flexibel interpretieren."

Renzis Retourkutsche

Angesprochen darauf, dass ähnliche Schreiben wie an Italien wegen Budgetklarstellungen an fünf weitere Staaten erfolgt seien, winkte Barroso ab. "Wir machen das nicht öffentlich. Ein Land, Italien, hat das für sich entschieden."

Ministerpräsident Matteo Renzi hat daraufhin gedroht, die Kosten der EU-Institutionen offenzulegen. "Wir werden Daten zu allem veröffentlichen, was von diesen Palästen ausgegeben wird. Wir werden einigen Spaß haben", sagte Renzi am Donnerstag am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel.

Die "Financial Times" hatte zuletzt berichtet, dass neben Italien auch Österreich, Frankreich, Italien, Slowenien und Malta zu "Präzisierungen" ihrer Budgetpläne für 2015 aufgefordert wurden. Die EU-Kommission sagte lediglich, die Tatsache, dass mit einem Land "Konsultationen" liefen, bedeute noch nicht, dass ein negatives Bild über den Budgetentwurf dieses Staates abgegeben werde.

Rein rechtlich muss die EU-Kommission eine Woche nach Abgabe der Budgetentwürfe mit den betreffenden Staaten Konsultationen führen, wenn diese nach Auffassung der EU-Behörde die europäischen Vorgaben ernsthaft nicht erfüllen. Nach zwei Wochen - dies wäre der kommende Mittwoch - muss die EU-Kommission ihre Bewertung der Budgetpläne vorlegen. Politisch sind vor allem die Beurteilungen zu Italien und Frankreich brisant, weil diese Länder die Sparvorgaben nicht erfüllen.

Italien ist in seinem Etatplan von dem Ziel abgerückt, bis 2017 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Ministerpräsident Matteo Renzi will nach drei Jahren wirtschaftlicher Stagnation mit Steuerkürzungen das Wachstum ankurbeln. Nach dem am Donnerstag veröffentlichten Brief von EU-Wirtschaftskommissar Jyrki Katainen an die Regierung in Rom zeigt der Etat-Entwurf, den Italien bei der Kommission eingereicht hat, eine signifikante Abkehr von den Zielen, einen strukturell ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen. Er wolle wissen, warum Italien vorhabe, sich im kommenden Jahr nicht an den Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU zu halten, schrieb Katainen an den italienischen Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan.

Schelling sieht "Einladung zum Dialog"

Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) beunruhigt der Budget-Brief aus Brüssel nicht sonderlich, wie er am Abend im ORF-Radio betonte. Er sehe darin eine "Einladung zum Dialog". Es sei ein "Unterschied, ob man zwischen "0,9 und 1 Prozent schwankt" oder ein strukturelles Defizit von über vier Prozent habe, so Schelling, der Österreich mitnichten als "Defizitsünder" bezeichnet sehen will.

Die EU-Kommission attestiert Österreich in dem Brief, dass es "signifikant" vom Budgetpfad abweiche. Schelling sieht sich darin dazu "eingeladen", die Budgetzahlen nochmals darzustellen. "Dem werden wir nachkommen." Konkret danach gefragt, ob es zusätzliche (budgetäre) Maßnahmen brauche, verwies er auf die "Maßnahmen, die im Budget schon beschlossen sind". Er habe aber schon Gespräche mit allen Ministerium aufgenommen und will mit ihnen erörtern, wie man den Budgetvollzug "straffen" könne. (APA, 23.10.2014)