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Zuschauen im Parlament: Mehr als 70 Prozent ihrer Schüler wissen wenig oder gar nichts über politische Institutionen, sagen Wiener Lehrer.

Foto: apa/Pfarrhofer

Wien - Für Politische Bildung bleibt Lehrern im Unterricht kaum Zeit. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts Sora im Auftrag der Wiener Arbeiterkammer und der Pädagogischen Hochschule (PH) Wien unter 500 Lehrern an Wiener Volksschulen, Neuen Mittelschulen und der Unterstufe von Gymnasien. Mehr als die Hälfte geben an, dass ihnen der umfangreiche Lehrplan nicht ausreichend Zeit für Politische Bildung lasse.

Eigentlich müssten Österreichs Schüler schon fast Politikwissenschaftler sein, wenn sie mit der Schule fertig sind. In einem eigenen Kompetenzmodell ist vorgeschrieben, dass sie politische Entscheidungen beurteilen können sollen, eigene Positionen zu politischen Fragen formulieren, kritisch mit Politik umgehen und Begriffe des Politischen weiterentwickeln können sollen. Diese Wissensvermittlung passiert derzeit allerdings nicht in einem eigenen Fach, sondern soll als "Unterrichtsprinzip" in allen Fächern vermittelt werden. In der achten Schulstufe gilt Politische Bildung dezidiert als eigener Schwerpunkt im Rahmen des Geschichteunterrichts. Doch selbst 55 Prozent der Geschichtelehrer sagen laut der Studie, dass sie in ihrem Unterricht keine Zeit für politische Bildung haben.

Präzisere Anforderungen

Überraschend oft ist Politische Bildung in der Volksschule ein Thema. Ein Drittel der Lehrer gibt an, Politische Bildung häufig zu unterrichten. Weitere zwei Fünftel tun das manchmal.

Elke Larcher, eine der Studienautorinnen von Sora, sieht eine Diskrepanz zwischen den umfangreichen Anforderungen, die an die Lehrer gestellt werden, und dem, was sie leisten können. "Sie brauchen eine Präzisierung dessen, was sie jedenfalls an politische Bildung weitergeben sollen", sagt Larcher.

Köpfe nicht einschlagen

Derzeit legen die Lehrer laut der Studie vor allem wert darauf, ihren Schülern Konfliktlösungskompetenzen beizubringen. "Es geht dabei um die Grundlage der Demokratie, also darum, Regeln einzuhalten und sich nicht gegenseitig die Köpfe einzuschlagen", sagt Larcher. Viel zu kurz komme dabei aber die Vermittlung von Möglichkeiten der Partizipation an Politik. So sagen etwa 80 Prozent der Lehrer an der ersten Sekundarstufe, dass die Vermittlung von Konfliktlösung sehr wichtig sei, aber nur 45 Prozent halten es für sehr wichtig, bei ihren Schülern Interesse am politischen Leben zu wecken. Nur 17 Prozent der Volksschullehrerinnen sagen, dass es sehr wichtig sei, den Schülern Möglichkeiten zu vermitteln, wie sie die Politik beeinflussen können.

Zu wenig Grundwissen

In der ersten Sekundarstufe wird der Unterricht der Wiener Lehrer vor allem dadurch beeinträchtigt, dass die Schüler zu wenig Grundwissen haben. Das ist laut der Befragung für 57 Prozent der Lehrer sehr oft oder oft der Fall. So können etwa nach Einschätzung der Pädagogen 83 Prozent der Schüler wenig oder gar nicht kritisch mit politischen Analysen umgehen. Mehr als 70 Prozent wissen wenig oder gar nichts über politische Institutionen und über Möglichkeiten der politischen Teilhabe. Allerdings können 72 Prozent der Schüler politische Probleme und Entscheidungen beurteilen und die eigenen Meinung vertreten.

Reservierte Lehrer

Ein Problem bei der Vermittlung von Politischer Bildung ist zudem, dass manche Lehrer selbst wenig politisch interessiert und Parteien gegenüber eher negativ eingestellt sind. In der Studie werden sie als "reservierte Lehrer" bezeichnet. In der ersten Sekundarstufe fallen 22 Prozent der Lehrer in diese Kategorie, an den Volksschulen sogar 48 Prozent.

Für Studienautorin Larcher ist es daher zentral, dass Politische Bildung in der Ausbildung der Lehrer verankert wird. "Derzeit ist das kaum der Fall." Zudem brauche es Lehrmaterialien, die nicht nur von Lehrern ausgehen, die ohnehin an Politik interessiert sind und sich gut auskennen. Derzeit bereiten sich der Studie zufolge 56 Prozent der Lehrer häufig mit eigenen Ideen und Materialien vor.

Pflichtmodul "Politische Bildung"

PH-Wien-Rektorin Ruth Petz hält es laut einer Aussendung angesichts der Ergebnisse für notwendig, dass die Politische Bildung in der neuen Lehrerausbildung verstärkt wird. Weiterbildungsangebote werden in dem Bereich derzeit allerdings nur selten angenommen. 52 Prozent jener Lehrer, die eine Angabe dazu machen wollten, haben keine Fortbildung in politischer Bildung absolviert.

Die Arbeiterkammer Wien forderte in einer Aussendung als Konsequenz, das Pflichtmodul "Politische Bildung" in den Geschichteunterricht für Schüler der gesamten ersten Sekundarstufe aufzunehmen, wie es bereits im Regierungsprogramm vorgesehen wurde. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) kündigte am Donnerstag im Parlament an, dass Pflichtmodul im kommenden Jahr einführen zu wollen. (Lisa Kogelnik, derStandard.at, 23.10.2014)