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Der Elektronikschrottberg ist im Grunde ein Rohstofflager: In einem Mobiltelefon stecken mehr als 60 verschiedene Stoffe, darunter rund 30 Metalle. Aus 50.000 alten Handys kann beispielsweise mehr als ein Kilo Gold gewonnen werden.

Foto: dpa / Maurizio Gambarini

"Aus den alten Telefonen lassen sich wertvolle Edelmetalle gewinnen, Kupfer und Gold beispielsweise", erklärt Ji Un-geun, Chef von Seouls Ressourcenzentrum. Was Ji auf seinem Recyclinghof macht, nennt sich Urban Mining, städtische Rohstoffgewinnung sozusagen. Jedes Jahr erreichen rund 2000 Tonnen Elektronikschrott seinen Recyclinghof - den einzigen in der Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole Seoul. Das ist rund ein Fünftel des jährlich hier anfallenden Elektroschrotts. 60 bis 70 Prozent des Mülls sind Metalle.

Um ihn herum stehen die Geräteeinzelteile fein säuberlich sortiert in weißen Plastiksäcken. Die Handyakkus werden in gelben Plastikwannen über den Hof und durch die Hallen geschoben. Dazwischen wird an Fließbändern jedes erdenkliche Elektrogerät in seine Einzelteile zerlegt.

Jedes Jahr ein neues Handy

Eine Studie des Suchmaschinenriesen Google im Jahr 2013 ergab: Rund 73 Prozent aller koreanischen Mobilnutzer tippen auf den Bildschirm eines "smarten" Handys. Tablets und andere Gadgets sind da noch gar nicht mitgerechnet. In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen sind es sogar satte 97,7 Prozent. Gleichzeitig tauscht fast ein Viertel aller Nutzer einmal im Jahr das Mobiltelefon gegen ein neues Gerät aus. Zurück bleibt ein Berg Elektronikschrott.

"Südkorea ist Mitte des letzten Jahrzehnts auf dem Elektrogerätemarkt konkurrenzfähig geworden", sagt Lee Tae-hong von der Seouler Metropolregierung. Die Verantwortlichen für all den Müll benennt der Beamte auch sogleich. "Die Konsumenten", sagt er. "Vor ein paar Jahren waren es noch Klapphandys, die den Löwenanteil des Elektromülls ausgemacht haben, nun werden die Smartphones immer mehr."

Die Technikriesen zahlen lieber

Lee Chu-hong vom Netzwerk Grüne Konsumenten in Südkorea wirft den Technikriesen vor, ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen. "Die bezahlen lieber, als sich um den von ihnen produzierten Elektronikmüll zu kümmern." Entweder müssen Produzenten in Südkorea selbst Recyclinganlagen unterhalten oder eben zahlen. Letzteres sei für die Unternehmen billiger, sagt Lee. "Es ist wichtig, Konsumenten und Firmen auf die Problematik aufmerksam zu machen." Mit Strafen könne man kein Umdenken erreichen.

Es müssten Anreize geschaffen werden, sich aktiv am Recycling zu beteiligen. Doch auch die Konsumenten müssen umdenken. In keinem anderen Land würden Mobiltelefone so oft gewechselt wie in Korea. "Im Schnitt alle anderthalb Jahre", erläutert Lee. Das habe auch mit den Subventionierungen bei Mobilfunkverträgen zu tun - und mit der Strategie der Konzerne, schnell Nachfrage für eine neue Gerätegeneration zu generieren. "Den Konsumenten wird eingeredet, dass sie, wenn sie nicht das neueste Telefon haben, einen Nachteil haben", in einer Konkurrenzgesellschaft wie der südkoreanischen ein echtes Kaufargument.

Recycling seit 2009

Um des Elektromüllproblems Herr zu werden, hat die Seouler Metropolregierung im Jahr 2009 das Seoul Ressourcen-Zentrum eröffnet. 56 Angestellte, davon 60 Prozent aus sozial benachteiligten Familien, arbeiten auf dem Areal von nicht einmal der Größe eines Fußballfeldes. In einer Ecke sind Arbeiter dabei, aus den Altgeräten die Batterien zu entfernen. Bei Samsung- oder LG-Telefonen ist das mit zwei Handgriffen erledigt. Arretierung drücken, den Akku wegklappen bei den alten Telefonen, die Gehäuseklappe öffnen und den Akku entnehmen. Anders ist das bei neueren Smartphones: Das iPhone wird urzeitlich anmutend mit einem Hammer aufgeschlagen. Erst dann lässt sich die Batterie entnehmen.

Seit Eröffnung sind knapp 1,5 Millionen Telefone auf dem Hof so zerlegt worden. "Über 90 Prozent des Elektronikschrotts lassen sich wiederverwerten", sagt Ji Un-geun. Der Rest wird entsorgt. Das bedeutet: Er wird verbrannt oder landet auf einer Deponie.

Ein altes Klapphandy

"Ich bin stolz darauf, eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Elektroschrott zu spielen", freut er sich. Damit ist nicht nur sein Unternehmen gemeint. Seit zehn Jahren benutze er sein altes golden-schwarzes Klapphandy nun. Das sei sein ganz persönlicher Beitrag zur Müllvermeidung. (Malte E. Kollenberg, DER STANDARD, 23.10.2014)