Die Neurekonstruktion ergabe: Deinocheirus mirificus war eine Art Riesenstrauß mit gewaltigen Pranken.

Illu.: Michael Skrepnick

Daejeon - Bis vor kurzem schlugen sich Paläontologen mit einem veritablen Rätsel um eine mysteriöse Dinosaurierart der späten Kreidezeit herum. Die einzigen bekannten Funde bestanden aus zwei 2,4 Meter langen Armen mit großen Pranken und einigen wenige anderen Knochen, die 1965 in der Mongolei entdeckt wurden. Wie das Tier tatsächlich ausgesehen hat, blieb unklar - bis nun ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Nature" eine Rekonstruktion auf Basis neuer Funde vorstellte: Zwei nun fast vollständige Skelette zeigen, dass Deinocheirus mirificus Ähnlichkeit mit heutigen Straußen aufwies.

Die Forscher um Yuong-Nam Lee vom südkoreanischen Institut für Geowissenschaft und Geologie in Daejeon datierten die neuen Knochenfunde auf ein Alter von 69 bis 76 Millionen Jahre. Die Paläontologen setzten die Deinocheirus-Skelette nun aus den aktuellen Funden, die im Rahmen der "Koreanisch-Mongolischen Internationalen Dinosaurier Expedition" 2006 und 2009 in der Mongolei entdeckt wurden, sowie dem Schädel und einer Vordergliedmaße zusammen, die von Laien ausgegraben und von einem Privatsammler gekauft worden waren.

Parallelen zu modernen Laufvögeln

Den Wissenschaftlern zufolge war Deinocheirus das größte Mitglied der Ornithomimosauria - übersetzt: der Vögel nachahmenden Echsen. So wies einer der gefundenen Dinosaurier eine Körperlänge von elf Metern und ein Gewicht von über 6.000 Kilogramm auf. Ornithomimosauria werden aufgrund ihres Körperbaus und ihrer vermuteten Lebensweise häufig mit Laufvögeln wie dem Strauß verglichen. Im Gegensatz zu diesen lassen die breiten Hüften und großen Füße von Deinocheirus allerdings darauf schließen, dass dieser sich eher langsam bewegte.

Die Video-Simulation zeigt Deinocheirus als eher schwerfälligen Dinosaurier mit einem massigen Körper auf kräftigen Beinen.
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Die Analyse der gefundenen Knochen ergab weitere einzigartige Merkmale, die bei anderen Ornithomimosauria nicht beobachtet wurden: So hatte Deinocheirus mirificus wohl eine verlängerte, zahnlose Schnauze, die entfernt einem Entenschnabel ähnelt, und einen buckeligen Rücken. Das Forscherteam vermutet, dass der Saurier damit gut an Lebensräume in der Nähe von Flüssen angepasst war. Seine Schnauze könnte bei der Futtersuche am Grund von Wasserläufen behilflich gewesen sein, während plumpe, abgeflachte Knochen unter den Klauen vor einem Einsinken auf nassem Boden bewahrten.

Die Forscher fanden zudem Fisch-Überreste im vermutlichen Mageninhalt, aber auch Charakteristika, die mit Pflanzenfressern übereinstimmen. Daher wird davon ausgegangen, dass Deinocheirus ein Allesfresser war.

Umfangreicher Speisezettel

Die analysierten Überreste stammen aus der Nemegt Formation in der Wüste Gobi in der Mongolei. Hier habe Deinocheirus mirificus wahrscheinlich in einem Ökosystem mit zahlreichen gigantischen Wettbewerbern gelebt, so etwa den langhalsigen pflanzenfressenden Therizinosaurus aus der Gruppe der Theropoda oder den noch größeren Sauropoden, vermutet Thomas Holtz in einem unabhängigen Kommentar des Artikels. "Die umfassendere Ernährungsweise des Deinocheirus könnte ihm erlaubt haben, auf Ressourcen zuzugreifen, welche die anderen großen Pflanzenfresser nicht nutzen konnten", so der Paläontologe von der Universität Maryland.

Für Holtz führt die Analyse von Lee und seinen Kollegen zu dem Schluss, dass es in der späten Kreidezeit drei getrennte Linien von nicht-fleischfressenden Theropoda (Ornithomimosaurier, Therizinosaurier und kurzschnabeligen, vogelähnlichen Oviraptorosaurier) gegeben habe, "die unabhängig voneinander ihre maximale Größe in Ost- und Zentralasien erreichten". (APA/red, derStandard.at, 26.10.2014)