Ausblick auf die zerstörte syrische Stadt Homs: Die Kurdin Wiam Simav Bedirxan versorgt den Filmemacher im Exil mit Bildern aus dem Krieg - "Silvered Water, Syria Self-Portrait".

Foto: viennale

Es gibt Filme, die man als Zumutung bezeichnen muss. Als Zumutung des Sehens, des Erfahrens, weil sie einen mit Bildern konfrontieren, die man lieber an einem Ort ablegen würde, wo sie einen in Ruhe ließen. Ossama Mohammed geht in Silvered Water, Syria Self-Portrait (Ma'a al-fidda) von der umgekehrten Prämisse aus. Er arbeitet mit Bildern, die ihn im Exil in Paris nicht in Ruhe lassen, ihn verfolgen und peinigen. Bilder aus seiner Heimat Syrien, in denen die Bevölkerung gegen Bashar al-Assad auf die Straße geht und auf die brutalste Weise verfolgt und ermordet wird. Bilder von Folterungen, in denen junge Menschen erniedrigt und geschlagen werden - es sei denn, sie bekennen sich zu Assad.

Mohammed hat diese Aufnahmen aus dem Internet, von privaten und anonymen Quellen. Er hat sie zu einer unglaublichen Montage verdichtet, einem tragischen Bildessay, dem es vor diesen herrenlosen Aufnahmen des Grauens die Sprache verschlägt und der deshalb besser als Requiem beschrieben ist (die Musik von Noma Omran unterstreicht diese Lesart noch). Kino nach dem Kino, sagt der Filmemacher öfters aus dem Off, und probiert doch noch andere Bezeichnungen aus: ein Kino der Mörder? Ein Kino der Opfer? Er spricht über die mangelnde Qualität des Materials, die durch Erschütterungen von außen bedingten Unschärfen der Bilder.

Aber die Bilder, könnte man sagen, nehmen hier ihren eigenen Weg. Durch das Blow-up auf der Leinwand noch pixeliger und undeutlicher, erhalten sie in ihrer ritornellhaften Abfolge eine Wucht, die jede Repräsentation zunichtemacht. Das fließende Blut, die Jubelgesten, die nackte Angst, die Detonationen - sie ordnen sich zu keinem Kommentar, zu keiner Analyse des Kriegs in Syrien. Es sind Fragmente, mit denen Mohammed aus der Distanz mit den Menschen in Syrien in Verbindung treten will. Vergänglich wie die silbernen Tropfen, die sich wiederholt an scheinbar funktionslosen Hähnen bilden.

Und doch gibt es plötzlich ein Gegenüber in Person der kurdischen Aktivistin Wiam Simav Bedirxan. Sie meldet sich bei Mohammed und bietet ihre eigenen Aufnahmen an: "Was würdest du filmen?" "Alles", antwortet er. Der Dialog erinnert an einen anderen Film, Alain Resnais' Hiroshima mon amour, den Mohammed nicht ohne Grund selbst ins Spiel bringt. Vor der Trümmerkulisse der Stadt Homs entspinnt sich eine von Anteilnahme getragene Begegnung, die den Gräueln des ersten Teils eine Geschichte des Überlebens entgegensetzt.

Berdirxans Bilder, die sogar eine eigentümliche, karge Poesie verströmen, sind nicht nur als Signale ihres Kampfes zu werten, sondern möglicherweise der letzte Halt, der ihr noch geblieben ist. Abgesehen von den Kindern, die sie unterrichtet, bis sie auch das eines Tages nicht mehr darf: "Die Revolution frisst ihre Kinder." Und die Tragödie geht weiter. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 23.10.2014)