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Beamte der örtlichen Polizei werden im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Studenten in Mexiko festgenommen. Noch immer gibt es keine Spur von ihnen.

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Vidulfo Rosales vertritt die Angehörigen der vermissten "Normalistas"

Foto: Tlachinollan Centro de Derechos Humanos de la Montaña

53 Verhaftete, 17 Hubschrauber, 16 Spürhunde, 1300 Polizisten und Hunderte von Freiwilligen im Einsatz, eine Suchanfrage bei Interpol, und trotzdem fehlt weiterhin jede Spur von den vor drei Wochen in Südmexiko von Polizisten und Drogenkillern verschleppten und möglicherweise ermordeten Studenten. Die Eltern fordern Einsicht in die Ermittlungsakten, sagt der Anwalt der Angehörigen, Vidulfo Rosales, im Gespräch mit dem Standard. Damit sich ähnliche Gräueltaten nicht wiederholen, müsste seiner Meinung nach der gesamte Bundesstaat Guerrero ausgemistet werden. Doch das sei bisher nicht in Sicht, beklagt der Anwalt.

STANDARD: Die Angehörigen haben sich am Montag mit der Staatsanwaltschaft getroffen. Was ist dabei herausgekommen, außer dass eine Belohnung ausgelobt wurde?

Rosales: Sie haben uns ihre Aktivitäten aufgezählt, aber einräumen müssen, dass sie nicht den kleinsten Hinweis auf den Verbleib der Studenten haben. Noch hatten wir keine Einsicht in die Ermittlungsakten, aber wir werden sie hoffentlich bald bekommen.

STANDARD: Ein Augenzeuge hat einem Priester anvertraut, dass die Studenten noch in der Nacht ihrer Entführung ermordet wurden. Aber die Staatsanwaltschaft hat ihn bisher nicht empfangen. Konnten Sie schon mit ihm reden?

Rosales: Nein, wir hatten dazu noch keine Gelegenheit. Die Eltern sind auch ein bisschen verwirrt. Jeden Tag erhalten wir um die 30 Hinweise auf den Verbleib, aber wir können denen nicht allen nachgehen und sie überprüfen. Es gab mehrere Hinweise, dass die Studenten tot sind, aber die Behörden haben diese Informationen nicht bestätigt. Wir hätten gerne vom Staat stringente Ermittlungen.

STANDARD: Bisher sind die Ermittlungen aber eher chaotisch, wie Amnesty International beklagt hat.

Rosales: Es gibt Bemühungen, aber sie sind nicht ausreichend. Die Ermittlungen in dem Fall sind komplex, weil staatliche Autoritäten verwickelt sind. Man braucht da nicht nur modernste Technik, viele Ermittler und funktionierende Geheimdienste, sondern es gibt eben auch eine politische Komponente. Die traditionelle Art der Ermittlung reicht da nicht aus.

STANDARD: Sind denn die richtigen politischen Maßnahmen getroffen worden? Im Bundesstaat Michoacán hat Anfang des Jahres die Zentralregierung interveniert und sogar die dortige Regierung wegen ihrer Verstrickung mit der Drogenmafia abgesetzt, wie sieht es in Guerrero aus?

Rosales: Bisher haben Militärs und Bundespolizei in 13 Gemeinden die Polizei entwaffnet und die Sicherheit übernommen. Aber es gibt noch viel mehr zu tun. Der Bürgermeister, der die Repressalien gegen die Studenten angeordnet haben soll, ist noch immer auf der Flucht. Jeden Tag kommen neue Verstrickungen zwischen Politikern und der Mafia ans Licht. Das zeigt, wie stark die Institutionen in Guerrero vom Drogenhandel infiltriert sind. Für die Entführung der Studenten tragen viele Instanzen Verantwortung, denn obwohl sie davon wussten, haben sie nichts getan. Doch bisher muss sich kein Politiker vor Gericht dafür rechtfertigen. Das ist nicht seriös. Eigentlich müsste der gesamte Staatsapparat ausgetauscht werden. Aber ich sehe bisher keine administrativen, juristischen oder politischen Maßnahmen, die ordentlich ausmisten und dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.

STANDARD: Wie gehen die Eltern mit der Ungewissheit um? Haben sie Fristen gesetzt?

Rosales: Sie wollen endlich ihre Kinder finden und haben Ergebnisse eingefordert. Demnächst findet ein weiteres Treffen statt, dann werden wir evaluieren, wie wir weiter vorgehen. Momentan ist der mexikanische Staat unser einziger Ansprechpartner. Wenn er versagt, werden wir internationale Instanzen anrufen. Sie üben jetzt schon Druck aus. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat zum Beispiel dringliche Schutzmaßnahmen für die Überlebenden und ihre Angehörigen angeordnet. (Sandra Weiss aus Puebla, DER STANDARD, 22.10.2014)