Das Filmmuseum in Wien bringt derzeit eine Retrospektive des amerikanischen Regieklassikers John Ford. Die Filme des Meisters bieten ein Blick auf das frühe, aufstrebende Amerika. Sentimentalisiert und überhöht - aber dennoch mit einer inneren Wahrheit. Vielleicht eine Gelegenheit für manche, ihr USA-Bild zu ergänzen.

Ford war ein filmischer Poet, verfügte aber gleichzeitig über einen realistischen Blick auf die dunklen Seiten der amerikanischen Erfolgsstory. In The Searchers schießt ein hasserfüllter John Wayne einem toten Indianer die Augen aus, damit der nicht ins "Spirit Land" kommt. Die Indianer sind extrem grausam, wie sie es großteils tatsächlich waren. Aber der Reverend, der zugleich Captain der Texas Rangers ist, befiehlt mit einem biblischen Spruch einen Angriff auf ein Indianerdorf ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder. Auch das ist historisch.

The Searchers ist ein Meisterwerk über die tragische Seite der Eroberung des alten Westens, so wie Grapes of Wrath (nach dem Roman von John Steinbeck) ein Meisterwerk über die soziale Frage der Dreißigerjahre und Young Mr. Lincoln eines über die Menschenrechte ist.

Fords USA haben in der Welt und besonders in Europa nicht mehr viele Sympathisanten. Auch die USA nicht, die die Nazis besiegten (und die Japaner, die in Ostasien Millionen Menschen umgebracht haben). Ebenso wenig die USA, die Westeuropa jahrzehntelang vor dem aggressiven Sowjetkommunismus beschützten. Das wird heute kaum mehr anerkannt. Vor allem bei Jüngeren gibt es nur noch die USA, die überall in der Welt gewaltsam intervenieren, ohne dass man jeweils genau wüsste, wofür das gut sein soll; die mehr als notwendig auf ihren einseitigen wirtschaftlichen Vorteil schauen, dabei aber ein Modell des Turbokapitalismus auf die Spitze getrieben haben, das ihnen selbst enorm schadet; die schließlich ein gigantisches Überwachungssystem aufgezogen haben, das sie nicht einmal richtig auswerten können.

All das ist richtig. Dazu kommt, dass die US-Demokratie Tendenzen zur Entartung aufweist; und dass der erhoffte Reformator Barack Obama eine Enttäuschung ist ("a lawyer, not a leader").

Aber bei alldem bleibt doch: Die USA sind immer noch eine Demokratie; ein Präsident wird nach acht Jahren abgewählt. Russland und China sind autoritäre, rechtlose Systeme. Putin ist seit 15 Jahren da und hat jede Möglichkeit, ihn abzuwählen, systematisch abgewürgt. Chinas Führung macht sich alles einfach unter sich aus. Und noch etwas: Die amerikanischen Defizite werden breit diskutiert, die der anderen nicht.

Die Zeit der USA als alleinige Supermacht sind vorüber. Aber man braucht ein Gegengewicht für die Situation, die durch russischen Nationalismus in Europa, ein Dominanzstreben der Chinesen in Ostasien und den mörderischen Islamismus gekennzeichnet ist. John Fords USA gibt es nicht mehr, hat es so wohl auch nicht gegeben. Aber die USA von heute sind, trotz aller Defizite, immer noch unverzichtbar. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 22.10.2014)