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Der iranische Vizepräsident Eshaq Jahangiri (rechts) nahm den irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi, der seinen ersten Besuch in Teheran absolvierte, in Empfang.

Foto: EPA / Abedin Taherkenareh

Wien/Teheran/Bagdad - Nuri al-Maliki, irakischer Premierminister von 2006 bis Anfang September, war ein häufiger Gast in Teheran; für seinen Nachfolger Haidar al-Abadi war es am Dienstag der erste Besuch in der iranischen Hauptstadt als Regierungschef. Einen nicht minder bedeutenden Besuch absolvierte Abadi, wie Maliki Schiit und aus der Dawa-Partei, jedoch vor seinem Abflug nach Teheran: Da war der Premier bei Ayatollah Ali Sistani in Najaf - seinen Vorgänger Maliki hingegen hatte Sistani, der für viele irakische Schiiten aber auch Schiiten weltweit die höchste religiöse Instanz ist, seit vier Jahren nicht mehr empfangen und heuer unverblümt seine Ablöse gefordert.

Autobomben während Besuch

Das heißt, Sistani unterstützt die neue irakische Regierung, die er einmal mehr - wieder ein Seitenhieb auf Maliki - zur Korruptionsbekämpfung aufrief. Aber Abadi betonte nach dem Treffen auch etwas, was für seine Gastgeber in Teheran von Belang ist: Er sei mit Sistani einig, dass "keine Bodentruppen einer Supermacht, internationalen Koalition oder Regionalmacht" im Irak kämpfen werden. Gemeint ist natürlich gegen den "Islamischen Staat" (IS), zu dem der Iran sowohl Know-how - unter anderem in der Person des Kommandanten der alQuds-Brigaden, Ghassem Soleiman - als auch Waffen beisteuert.

Sistani stammt ursprünglich aus dem Iran, er hat, wie alle bedeutenden Ayatollahs, ein Büro in der iranischen Stadt Ghom - aber er ist ganz klar ein Najafer Mullah. Mit dem Khomeinischen Herrschaftssystem, das den "höchsten Juristen" als Stellvertreter des Mahdi zum obersten Führer macht, hat er sich nie identifiziert.

Während Abadis Aufenthalts in Najaf explodierten am Montag in der schiitischen Stadt Kerbala vier Autobomben, mehr als zwanzig Menschen wurden getötet. Die Anschläge wurden nahe dem Zentrum, in dem die den Schiiten heiligen Schreine liegen, verübt - was zeigt, dass die Hand der IS-Miliz oder anderer radikaler Sunniten bis in schiitische Kerngebiete reichen. Auch in Bagdads schiitischen Bezirken gab es zuletzt vermehrt Angriffe.

Schiitische Pilgersaison

Für die Schiiten steht die Wallfahrtssaison vor der Tür, mit zehntausenden Pilgern in Bagdad und den heiligen Städten. Attacken gibt es jedes Jahr, heuer könnte die IS versuchen, Panik zu säen - und vermehrt Attacken schiitischer Milizen auf Sunniten auslösen, die dadurch wiederum in die Arme der IS getrieben werden. Noch immer sehen viele Sunniten den Kampf gegen IS als verdeckten "Krieg gegen die Sunniten".

In Teheran wurde Abadi von Vizepräsident Eshaq Jahangiri und von Präsident Hassan Rohani empfangen. Die Iraner wirkten bei seiner Bestellung zum Premier insofern mit, als sie Maliki ihre Unterstützung entzogen, als sie sahen, dass der Disput um ihn das Land zu zerreißen drohte.

Der Iran ist nicht nur wegen des Vormarsches der IS besorgt, sondern - wegen der Auswirkungen auf seine eigenen Minderheiten - auch über die Möglichkeit, dass die irakischen Kurden ihre Unabhängigkeit erklären könnten. Der Iran unterstützt die Kurden wohl auch deshalb direkt in ihrem Kampf gegen die IS; als Weg, um sich Einfluss zu sichern.

Hauptthema der Gespräche von Abadi in Teheran war die IS. Sein Besuch kam nach der Komplettierung seiner Regierung am Wochenende: Hätte er Teheran vor der Ernennung des schiitischen Innenministers Salem Ghabban besucht, hätte es geheißen, dieser sei eine iranische Wahl.

Unterstützung für Libanon

Teheran hat auch Iraks neuen Verteidigungsminister, den Sunniten Khaled al-Obeidi, eingeladen. Am Wochenende war jener aus dem Libanon zu Gast, Samir Moqbel (ein Christ). Der Iran hat der libanesischen Armee, die im Nordosten des Landes vermehrt von der jihadistischen Nusra-Front herausgefordert wird, Unterstützung - auch Waffen - versprochen. Im August hatte Saudi-Arabien eine Million Dollar für Waffenkäufe zugesagt.

Im Iran verstarb am Montag der Chef des Expertenrates, Mohammed-Reza Mahdavi-Kani. Die Nachbesetzung wird interessant sein, weil der Expertenrat, in dem ebenfalls Grabenkämpfe zwischen konservativen und pragmatischen Kräften stattfinden, über die Nachfolge des religiösen Führers entscheidet. Ali Khamenei wurde jüngst krebsoperiert. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 22.10.2014)