May-Britt und Edvard Moser sind das aktuell wohl erfolgreichste Paar der
Wissenschaften: Sie erhielten neben John O'Keefe vor kurzem den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung von Koordinatenzellen im Gehirn.

Foto: The Kavli Institute

Bild nicht mehr verfügbar.

Pierre und Marie Curie gelten als frühes Doppelkarrierepaar der Wissenschaft. Da Unis immer häufiger mit Paaren zu tun haben, bei denen beide Partner Karriere machen, werden eigene Stellen dafür geschaffen.

Foto: Picturedesk / Albert Harlingue, Roger Viollet

Wien - In den 1990er-Jahren haben immer mehr Unis eine ähnliche Erfahrung gemacht: Trotz großzügiger Angebote zögerten potenzielle Professoren immer öfter, ihrem Ruf zu folgen. Schuld daran war weder Gehalt noch Ausstattung oder die akademische Umgebung - sondern die Karriere des Partners.

Mit Dual Career Couples - oder auf Deutsch Doppelkarrierepaare - hat sich dafür mittlerweile auch ein Begriff etabliert. Am Dienstag hat sich eine Tagung an der Med-Uni Wien mit internationalen Vortragenden dieser Thematik gewidmet.

Zwar sind Doppelkarrieren ein Phänomen, das die Gesellschaft insgesamt betrifft, aber da Universitäten international rekrutieren, sind sie besonders davon betroffen. Neben den hochqualifizierten Wissenschaftern muss auch deren immer öfter ebenfalls hochqualifizierten Partnern etwas geboten werden. Aus diesem Grund haben seit den 1970er-Jahren teilweise Hochschulen in den USA, ab den 1990er-Jahren auch immer mehr europäische Hochschulen, Dual-Career-Einrichtungen aufgebaut.

Von Job bis Wohnen

Eine Vorreiterrolle nahm dabei in Europa die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich ein. Madeleine Lüthy, eine der Vortragenden der Wiener Tagung, war von Anfang an dabei, als die Dual Career Advice Stelle 1999 aufgebaut wurde. "Wir haben Ende der 90er-Jahre gemerkt, dass die Angebote der ETH immer als sehr gut empfunden werden, wenn jemand zögerte, waren meist die Möglichkeiten für den Partner der Grund" , sagt Lüthy. Die ETH rekrutiert weltweit, 60 bis 70 Prozent der Berufungen gehen an ausländische Forscher.

Für die Partner stellt sich daher nicht nur die Frage, welchen Job sie nach dem Umzug ausüben könnten, sondern auch, wie Versicherung, Sozialsystem, Steuern, Wohnungssuche oder Kinderbetreuung am neuen Lebensort funktionieren.

"Wenn wir gute Professoren holen wollen, dann müssen wir dabei Unterstützung anbieten", sagt Lüthy. Dual Career Advice kann natürlich keine Jobs hervorzaubern, versucht aber in allen Bereichen, Auskunft zu geben. "Ich habe mich mittlerweile sogar zu einer kleinen Steuerexpertin gemausert", sagt Lüthy.

Individuell kann die Hilfestellung sehr unterschiedlich aussehen. Meist geht es um Wissensbeschaffung und Beratung. Sucht der Partner einen Job, bittet Lüthy um ein Motivationsschreiben und sucht nach passenden Annoncen oder vermittelt an einschlägige Unternehmen.

In manchen Fällen, wenn beide Partner im akademischen Bereich tätig sind, wendet sie sich an den jeweiligen Fachbereich und erkundigt sich, ob der Lebenslauf den ETH-Kriterien entspricht. Wenn dem zwar so ist, aber der Fachbereich gerade keine Stelle offen hat, gibt es in manchen Fällen auch eine Anschubfinanzierung durch den Präsidenten der ETH Zürich.

Nebeneffekt Frauenförderung

Was ursprünglich als Rekrutierungsmaßnahme für Spitzenforscher geschaffen wurde, hat in der Praxis oftmals den positiven Effekt der Frauenförderung - "das ist ein Nebeneffekt", sagt Lüthy.

Michelle Fleig-Palmer, Professorin an der University of Nebraska in Kearney, hat das dortige Dual Career Service aufgebaut, worüber sie eine Keynote bei der Wiener Tagung hielt. Frauenförderung sieht sie insofern als Begleiterscheinung, als Universitäten, die Dual Career Services anbieten, tendenziell auch die Universitäten sind, die Minderheiten oder Frauen rekrutieren würden.

Als Fleig-Palmer 1998 mit dem Programm startete, war sie selbst erst kurz zuvor nach Kearney gekommen. Der Grund dafür: ihr Partner. Er hatte einen Ruf an die Uni bekommen. Sie unterrichtete zunächst Teilzeit, doch als sie immer wieder Partner anderer Professoren jammern hörte, dass es keine Jobs gebe, schrieb sie ein dreiseitiges Proposal.

In diesem schlug sie vor, dass es ein Angebot für Partner geben sollte, um sich über die Jobsituation vor Ort informieren zu können. Prompt wurde sie von der Uni beauftragt, das mit dem Dual Career Service aufzubauen. "So habe ich meinen eigenen Job geschaffen", sagt Fleig-Palmer. Sie sieht derartige Angebote als zentral an, damit Wissenschafter Vertrauen zur Universität aufbauen können.

Steigende Erwartungen

Auch in Österreich haben sich einige Universitäten auf Initiative der Taskforce Gender & Diversity der Universitätenkonferenz in Kooperation mit dem Wiener Wissenschaftsfonds WWTF zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich ein Dual Career Service anzubieten.

Im Rückblick fällt Lüthy auf, dass unter jungen Forschern die Selbstverständlichkeit viel größer ist, dass beide arbeiten. Und die Erwartungen beider steigen. Was daher momentan sehr stark in Dual Career Services diskutiert wird, ist, was Lüthy "Management der Erwartungen" nennt.

Die Diskrepanz zwischen dem, was geboten werden kann, und dem, was erwartet wird, werde immer größer. "Früher gab es Dual Career Stellen an sonst keiner Hochschule - da waren die Leute immer begeistert." Nun rechnen die Kandidaten fix mit diesen Services - und damit, dass sie ihnen gute Angebote verschaffen. "Wir müssen unsere Rolle klar kommunizieren, sagt Lüthy - damit zum Schluss die Enttäuschung nicht zu groß ist, wenn nicht beide ein Topangebot erhalten. (Tanja Traxler, DER STANDARD, 22.10.2014)