Drama um vertauschte Kinder: "Wie der Vater, so der Sohn".


Foto: Thimfilm

Wien - Der kleine Keita soll in eine Eliteschule kommen. Für die Eltern ist dies ein großer Moment, als Angehörige einer finanziell gut ausgestatteten Gesellschaftsschicht legen sie auf Ausbildung besonderen Wert. Da dringt eine Nachricht des Geburtsspitals ihres Sohnes an sie, die ihre Welt aus den Angeln hebt: Keita soll als Baby von einer Krankenschwester vertauscht worden sein, ihr leibliches Kind lebt bei der Familie eines Kleinladenbesitzers - und somit auch in einem ziemlich konträren Kosmos.

Der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda erzählt von dieser zunächst nach chronikaler Meldung klingenden Geschichte mit viel Behutsamkeit. Schon in seinem 2004 entstandenem Film Nobody Knows standen Kinder und Familienfragen im Mittelpunkt: vier Geschwister, die von ihren Eltern verlassen, allein über die Runden kommen müssen. Wie der Vater, so der Sohn mutet da geradliniger, konventioneller an. Die sozialen Unterschiede zwischen den Familien - die eine lebt in einem steril-modernen Appartement, die andere in fröhlich-turbulentem Durcheinander - erscheinen auf den ersten Blick etwas zu grob gezeichnet.

Doch bald wird klar, dass Hirokazu Kore-eda diese Zuschreibungen nur wie Schablonen verwendet, in denen er mit wacher Beobachtungsgabe auch widersprüchliche Details entdeckt. Aus der dramatischen Prämisse wird nicht übermäßig Kapital geschlagen, vielmehr entsteht ein leiser Film mit fein abgestimmten Zwischentönen. Die Familien probieren es abwechselnd mit dem biologischen Kind, zuerst nur auf bestimmte Zeit. Zögerlich, neugierig, auch misstrauisch beäugt man einander, versucht herauszufinden, ob man gemeinsam Charaktereigenschaften entdeckt - und übersieht zum Beispiel, wie ähnlich man sich in motorischen Bewegungen ist.

Es gibt keinen einfachen Ausweg aus dem Dilemma, auch wenn eine klassenbewusste Gesellschaft wie die japanische zur leiblichen Variante tendiert. Gerade Ryota (Masaharu Fukuyama), dem Vater der betuchten Familie, fällt es schwer, damit zurechtzukommen. Hirokazu Kore-eda weist mit dieser Geschichte darauf hin, dass auch traditionelle Identitätskonstruktionen leicht Risse erhalten können. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 21.10.2014)