Die Zeichen stehen schon seit geraumer Zeit an der Wand. Kein EU-Land ist wegen der Missachtung demokratischer Rechte derart oft mit Vertragsverletzungsverfahren konfrontiert wie Ungarn. Vor einem Monat erwähnte US-Präsident Barack Obama das Land des Viktor Orbán in wenig schmeichelhaftem Kontext: "Von Ungarn bis Ägypten ist die Zivilgesellschaft endlosen Maßregelungen und offener Einschüchterung ausgesetzt."

Möglicherweise deckt aber die Orbán-Regierung auch marktverzerrende Mehrwertsteuer-Betrügereien. Zumindest scheint das Washington so zu sehen, weshalb es nun Einreiseverbote über mehrere ungarische Regierungsangehörige verhängt hat. Derlei lassen die USA sonst eher russischen Oligarchen, iranischen Atomingenieuren oder afrikanischen Menschenschindern angedeihen.

Tatsächlich koppelt sich Ungarn zunehmend vom Westen ab. Europa müsse sich auf seine "christlichen Wurzeln" besinnen, dozierte Orbán jüngst. So ähnlich klingt das auch bei Wladimir Putin. Als Melkkuh taugt der "dekadente Westen" aber noch allemal: vor allem für die massiven EU-Förderungen.

Orbán bringt in seine Reden gerne volkstümliche Sprichwörter aus verschiedenen Kulturkreisen an. Etwa das französische: "Sag zum Brunnen nicht: Ich werde niemals dein Wasser trinken!" Es gibt auch ein sehr schönes deutsches: "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht." (Gregor Mayer, DER STANDARD, 20.10.2014)