Wien - Bakary J. sei "zutiefst verängstigt", die jüngsten Medienberichte hätten bei ihm "die psychischen Wunden reaktiviert": So weit die Schilderungen eines Bekannten des inzwischen 40-jährigen Gambiers, der im April 2006 nach einem gescheiterten Abschiebeversuch in einer Wiener Lagerhalle von drei Polizisten durch massive Prügel schwer verletzt wurde, während ein vierter Beamter Schmiere stand.

Dies ging als Folterfall in die österreichische Polizeigeschichte ein. Nach jahrelangem Ringen wurden die involvierten Beamten der Sondereinheit Wega im April 2012 aus dem Polizeidienst entlassen; gerichtlich waren sie wegen Quälens eines Gefangenen lediglich zu mehrmonatigen bedingten Haftstrafen verurteilt worden.

Amtsarzt erinnert sich neu

Nun jedoch wollen drei der vier Polizisten das Verfahren neu aufrollen, wie am Sonntag die "Kronen Zeitung" berichtete. Sie seien "vom Dienstgeber zu entsprechenden Geständnissen gedrängt worden", werden sie in dem Artikel zitiert, dem weitere folgen sollen. Auch habe jener Amtsarzt, der J. unmittelbar nach den Misshandlungen untersucht und ihn trotz schwerer Verletzungen in Schubhaft geschickt hatte, eine geringere Schwellung am rechten Auge festgestellt als die, welche auf dem Foto tags darauf zu sehen war. Manche Verletzungen seien vielleicht gar nicht in der Lagerhalle, sondern später entstanden.

Auslöser der Wiederaufnahmenbestrebungen dürfte ein Gutachten des medizinischen Sachverständigen Norbert Loimer sein, der im Zuge des Entschädigungsverfahrens bestellt wurde; Bakary J.s Anwalt Nikolaus Rast fordert 375.000 Euro und eine monatliche Pension für seinen Mandanten. Loimer hatte "keinen Hinweis auf Traumatisierung" gefunden und sich über "transkulturelle Fragen" ausgelassen: J. sei ein "extrem praktizierender Muslim".

"Die Neuentwicklungen in dem Fall zeigen, wie gefährlich es ist, wenn Gutachter ihren Auftrag kilometerweit verfehlen und persönliche Ideologien einfließen lassen", kommentiert dies der Generalsekretär von Amnesty Österreich, Heinz Patzelt. Der hier betriebene "Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr" sei "empörend". Amnesty verfolgt den Fall seit 2006.

Über den Wiederaufnahmeantrag entscheidet das Wiener Straflandesgericht. (bri, DER STANDARD, 19.10.2014)