Erwin Steinhauer als singender Kreuzfahrt-Entertainer.

Foto: Jan Frankl

Wien - Eine Liebesg'schichten-Kulisse auf hoher See: Kreuzfahrten lastet ja der Ruf an, vornehmlich Urlaubsvehikel österreichischer (Früh-)Pensionisten zu sein. Zwischen Sechs-Euro-Cappuccino am Markusplatz und Dubrovnik-Stadtrundgang soll es ihnen nicht fad werden: Für Entertainment ist auch am Schiff gesorgt. In seinem neuen Musikprogramm Hand aufs Herz schlüpft Erwin Steinhauer in die Rolle des singenden Animateurs und holt dafür einen Kreuzfahrtdampfer auf die Bühne.

In rotem Anzug und mit orange getönter Brille tritt Steinhauer dem Publikum in den Wiener Kammerspielen entgegen und stellt sich als Erschy Heart vor. Mit "seinen Lieben" - einer Jazz-Combo - wird er den Abend begleiten. Mädchenhafte Glaskronleuchter und ein geraffter Samtvorhang deuten das Setting der "SM Alcatraz" an, ein sinkendes Kreuzfahrtschiff. Animateur Erschy Heart spielt alle Stückln, wenn es um Unterhaltung geht: Sprechend, singend und Ukulele spielend, führt er durch die Topthemen der österreichischen Nation. "Um das Publikum bewusstlos zu spielen", wie er zu Beginn des Programms betont.

Steinhauer spiegelt die Spießigkeit seines Publikums im eigenen Charakter: Als schmieriger Entertainer gibt er einmal den Modernitätsverweigerer, ein andermal den senilen Alten, dann das bequeme Muttersöhnchen. Immer wieder veräppelt er sich selbst als eloquenter Antiheld. Mit Gute-Laune-Jazzmusik werden so verschiedene österreichische Typen vorgestellt und von Steinhauer hollywoodreif besungen.

Richtig animierend wirkt die musikalische Unterstützung: Georg Graf, Joe Pinkl und Peter Rosmanith untermalen den Gesang unter anderem mit Blasinstrumenten, Schlüsseln und sogar ein wenig "Beatboxing". So werden mit einer hohlen Schüssel Unterwasserklänge hergestellt, die nicht nur stimmungsmachend sind, sondern gar eine authentische Seefahrtslaune aufkommen lassen.

Erschy Heart preist sich als der "Kapitän der Wohlfühlzone", in der ungezwungen gelacht werden kann und soll. Teilweise wirkt diese Wohlfühlzone aber gar zu wohlig - die Pointen liegen am Präsentierteller, die Schmähs sind altbekannt. Die Kreuzfahrt-Entertainment-Atmosphäre wird erschreckend lebendig: So kokettiert Steinhauer zwar mit der eigenen Spießigkeit, kritisch wirkt sein jazzig-pfiffiger Gesang aber nur teilweise.

Meister des Vergessens, ewig jammernd - die Frage, ob man im Angesicht des biederen Österreichertums lachen oder eigentlich weinen soll, bleibt weiter offen. Vor allem wenn Steinhauer zum Schluss Janis Joplins Mercedes Benz in Mundart paraphrasiert, hofft man inständig, dass alle Österreicher das Original kennen. Sonst wäre es wirklich spießig. (Lina Paulitsch, DER STANDARD, 18./19.10.2014)