Tulip Mazumdar (2. v. li.) mit dem BBC-Team vor Ort in Sierra Leone.

Foto: Mark Georgiou /BBC

Beim Besuch eines Friedhofs für Ebola-Opfer musste die Worldnews-Reporterin einen Ganzkörperschutzanzug tragen.

Foto: Mark Georgiou /BBC

derStandard.at: Sie waren im Juli in Guinea, vor kurzem in Sierra Leone. Inwiefern hat sich die Atmosphäre in den beiden Staaten voneinander unterschieden?

Mazumdar: Ende Juli war ich im Südosten Guineas, wo im März der Ebola-Ausbruch seinen Anfang nahm. Das ist ein sehr abgelegenes und ländliches Gebiet. Wir haben zwei Tage gebraucht, um vor Ort zu sein. In Sierra Leone hingegen war ich in Freetown, der Hauptstadt. Was gleich war, ist die Angst, die man überall spürt. In Guinea kam damals noch die Unwissenheit der Bevölkerung dazu, die über das Virus nicht informiert war und nur gesehen hat, dass es Leute tötet. In Sierra Leone ist der Wissenstand jetzt schon sehr hoch. Zwar wiederholen die Hilfsorganisationen noch immer ihre Hygienemaßnahmen, doch die Bevölkerung hört nun zu und handelt danach.

derStandard.at: Hatten Sie jemals Angst, dass Sie sich selbst mit Ebola infizieren könnten?

Mazumdar: Nein, denn unsere Sicherheitsvorkehrungen waren so hoch wie nur möglich. Wir mussten außerdem unsere geplanten Aktivitäten zuvor genau verschriftlichen, damit man angepasst an die Situation reagieren konnte. Als wir einen Ebola-Friedhof in Sierra Leone besuchten, wurden wir mit Ganzkörperschutzanzügen ausgerüstet. Wir waren auch sehr vorsichtig, dass wir niemanden berührten – auch niemanden aus dem Team. Unsere Hände und Schuhsohlen mussten wir regelmäßig desinfizieren. Man fühlt sich nur gleichzeitig furchtbar, wenn man sieht, dass oft nicht einmal vor Ort die Hilfskräfte so einen hohen Schutz erhalten.

derStandard.at: Wie groß ist das Stigma von Personen, die mit Infizierten arbeiten oder Familienangehörige sind?

Mazumdar: Die Totengräber etwa werden von der Dorfgemeinschaft gemieden. Die Leute kommen ihnen nicht nahe. Da herrscht ein großes Stigma. Deshalb ist es auch so schwer, Leute zu finden, die diese wichtige Arbeit machen. Obwohl sie 100 Dollar pro Woche erhalten, was in Sierra Leone sehr viel Geld ist – wenn sie bezahlt werden. Kurz nachdem ich sie interviewt hatte, traten sie in den Streik, weil sie kein Gehalt erhalten hatten.

derStandard.at: Während Ihrer Recherche treffen Sie immer wieder auf berührende Geschichten und Einzelschicksale. Wie schwer ist es für Sie, das nicht zu nahe kommen zu lassen?

Mazumdar: Es ist schwer, nicht involviert zu sein. In Sierra Leone habe ich vor einer medizinischen Einrichtung Francis Samuka gesehen. Er hatte rote Augen und Schluckauf. Er war offensichtlich bereits schwer an Ebola erkrankt. Seine Familie hörte auf die Behörden und tat das Richtige – sie brachten ihn in ein Krankenhaus. Dort hatte man aber kein Bett mehr frei, und so wurde er nach Hause geschickt. Wenige Stunden später erfuhr ich während einer Liveschaltung nach London, dass Francis gestorben war. Da wurde mir das Herz schwer. Ich erzählte daraufhin seine Geschichte "on air". Solche Geschichten sind aber keine Einzelschicksale, sondern Alltag.

derStandard.at: Inwiefern unterscheidet sich die Berichterstattung über Ebola in der westlichen Welt und Westafrika?

Mazumdar: Ich hatte vor Ort leider keine Möglichkeit, lokale Medien zu lesen. Aber durch die Handvoll Ebola-Fälle, die es jetzt in den USA und Europa gibt, habe ich das Gefühl, dass auch die Leute hier mehr involviert und gleichzeitig ängstlich werden. In Westafrika wartet das Virus überall, in Europa ist eine vergleichbare Epidemie undenkbar. Ich verstehe die Berichterstattung der westlichen Medien, aber der Fokus sollte klar auf Westafrika liegen. Solange es den Virus dort gibt, ist die gesamte Welt gefährdet.

derStandard.at: Wie gut ist die Bevölkerung in Westafrika mittlerweile über das Virus informiert? Vor allem im Vergleich mit den Wissensstand in der westlichen Welt, wo sich manche Mythen hartnäckig halten?

Mazumdar: Das Level an Angst lässt sich in den westlichen Ländern und Westafrika vergleichen. Das ist eine gute Frage, denn die Gesundheitsbehörden informieren bereits seit Monaten, dass sich Ebola nicht über die Luft, sondern nur über engen Körperkontakt übertragen lässt. Es herrscht so viel Angst, dass die Leute das nicht glauben. Warum das so ist, weiß ich nicht. Ebola ist der Stoff, aus dem Albträume gemacht sind. Die Mortalitätsrate ist hoch, aber es ist schwer, sich anzustecken. Natürlich ist es eine unschöne Art zu sterben, aber vor allem in den westlichen Ländern ist die Möglichkeit, sich mit Ebola zu infizieren, gleich null.

derStandard.at: Werden Sie bald nach Westafrika zurückkehren?

Mazumdar: Ich hoffe das sehr. Wir müssen weiter über die Situation in den betroffenen Ländern berichten. Ich bin immer wieder begeistert von so viel Tapferkeit und Hingabe, die unter den Menschen dort herrscht. (Bianca Blei, derStandard.at, 17.10.2014)