Wien - Lebensmittel sind die bösen Buben. In den Statistiken rund um die Inflation reihen sie sich jeden Monat wieder unter die größten Preistreiber. Auch im September verteuerten sie sich in Österreich im Vergleich zum August um 2,4 Prozent. Die Realität in den Supermärkten bilden die Zahlen dennoch nur bedingt ab. Schuld daran haben fehlende Einblicke der Statistik Austria in die Rabattpolitik der großen Handelsketten.

Man bemühe sich seit längerem darum, die Zahlen über Kooperationen mit den Einzelhändlern repräsentativer zu machen, sagt Michaela Böttcher, Projektleiterin in der Statistik Austria. Bisher gebe es jedoch kein konkretes Verhandlungsergebnis. Erfasst werden die Preise an einer Woche im Monat. "Es sind Momentaufnahmen."

In Österreich sind im Laufe eines Jahres im Schnitt gut 70 Prozent der Menge eines Produktes zu Aktionspreisen zu haben, rechnet Marktforscher Klaus Fessel vor. Es ist ein weitaus größerer Anteil als in Deutschland. Auch die Rabatte per se fallen mit durchschnittlich 33 Prozent höher aus. Dafür setzt Deutschland die Preislatte abseits aller Angebote niedriger an.

Schnäppchenjäger haben es gut

Focus-Chef Fessel, der für Handel und Industrie regelmäßig tausende Preise analysiert, schließt daraus: Schnäppchenjäger mit guten Vorratslagern fahren in Österreich preislich besser. Dafür werden kaufkraftschwächere Konsumenten, die nicht jede Prämie abwarten können und auf den Preiseinstiegsbereich angewiesen sind, im Zuge der anhaltenden Inflation finanziell stärker belastet.

Verantwortlich dafür sei auch, dass der Handel die Preise heuer für bekannte Labels der Industrie weniger stark anhob, als für austauschbare, meist offen angebotene Ware ohne Marke wie Fleisch, Obst und Gemüse, rechnet er vor.

Russlandfolgen

Für Gemüse mussten die Österreicher laut Statistik Austria im September um zwei Prozent mehr auslegen. Fleisch verteuerte sich auf dem Papier um 2,4 Prozent. Letzteres löst bei Johann Schlederer, Chef der Schweinebörse, verärgertes Kopfschütteln aus: "Aktionspreise sind hier nicht enthalten, was das Bild gravierend verfälscht." Die Methode der Erhebung gehöre dringend erneuert.

Fleisch skizziert derzeit gut die Diskrepanz zwischen dürren Zahlen und der praktischen Realität. Russlands Importsperren ließen die Erzeugerpreise für Schweinernes in Österreich seit Ende August um 30 bis 35 Prozent einbrechen. Auch der Rindfleischpreis schwächelt. Bis Frischfleisch für Konsumenten günstiger wird, braucht es in der Regel vier bis sechs Wochen. Mittlerweile verschleudere der Lebensmittelhandel das Kilo zu weniger als drei Euro, sagt Schlederer - "es war noch nie so günstig wie jetzt".

Österreich weist für September mit 1,6 Prozent die zweithöchste Inflationsrate im Euroraum aus. Preistreiber waren Handy-Grundentgelte, Mieten und besagte Nahrungsmittel. Der Preisantrieb ist zuletzt zum Politikum geworden, da die Inflation in die jährliche Lohnanpassung einfließt, über die ja die Metaller gerade verhandeln. Das hinterlässt gesamtwirtschaftlich Spuren, wie der Währungsfonds im jüngsten Länderbericht festgestellt hat. Österreich falle bei der Produktivität hinter Länder wie Belgien, die Niederlande, Frankreich oder Deutschland zurück, erklärte der IWF.

Das wird auch von der EU-Kommission bestätigt: Von 2000 bis 2005 lag der Anstieg der Lohnstückkosten noch deutlich unter dem Schnitt der Eurozone, in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts ungefähr gleich auf. Seither liegen die Steigerungen deutlich über jenen in der gesamten Währungsunion, im Vorjahr waren sie mit 2,4 Prozent sogar mehr als doppelt so hoch. (Verena Kainrath, Andreas Schnauder, DER STANDARD, 17.10.2014)