Wir werden ihn einfach nicht los, den Mief der Schüsseljahre. Jetzt dampft er aus der ÖIAG, und was kommt noch, nach allem, was dieses politische Olfaktorium die Steuerzahler seit 2006 an Milliarden gekostet hat, die man so dringend für anderes, etwa Bildung, Wissenschaft und Forschung, benötigt hätte? Man kann nicht sagen, die Politik habe im Umgang mit öffentlichem Eigentum immer glücklich agiert. Aber die ideologisch motivierte Abschiebung politischer Verantwortung, die ihr Allheilmittel in einer Privatisierung bis zur Verschleuderung sah, hat es auch nicht gebracht, und letztlich landet doch alles wieder dort, wo es, geht's um öffentliches Eigentum, in einer Demokratie hingehört - unter die Verantwortung der Politik. Sie soll es nach dem nun offenbar gewordenen Schlamassel der aufsichtsrätlichen Selbsterneuerung wiedergutmachen.

Warum sie so lange zugeschaut hat, wäre zu hinterfragen. Die Ursache dafür wie für vieles andere in der Konstruktion dieser Koalition zu sehen wird nicht ganz falsch sein. Deren Teilhaber hatten und haben selber ihre Probleme mit der Selbsterneuerung, der eine zu viel, der andere eher zu wenig. Die ÖVP mit ihren fünf Finanzministern und vier Vizekanzlern (und Parteiobleuten) versuchte sich während der letzten Jahre in Selbsterneuerung jeweils nur kurz aus dem Glauben an deren positive Kräfte, um sich bald eingestehen zu müssen, dass es wieder einmal bloß Überlebenstraining war. Die SPÖ war schon zufrieden, als die stärkere Partei zu überleben, weshalb man Erneuerungsbedürfnisse in eine Programmdiskussion zu kanalisieren trachtet, ohne viel am Selbst der Beteiligten rütteln zu müssen.

Im Banne des OMV-Debakels sagte der Bundeskanzler nun, der Selbsterneuerungsklub ÖIAG könne nicht länger bestehen bleiben. Die ebenso begrüßenswerte wie längst fällige Klarheit dieser Ansage dürfte aber neben dem Chaos bei der OMV vor allem der letzten Selbsterneuerung der ÖVP geschuldet sein, ließen doch auch Vizekanzler und Finanzminister an Schüssels Selbsterneuerungsmodell kein gutes Haar mehr. Schelling hielt es im Fernsehen für gescheitert und trat für ein Nominierungsrecht des Staates ein, der Vizekanzler kaum verblümt für Erneuerung mittels Kündigung des Vertrages von Rudolf Kemler. Ob das mit beider Vorgänger Spindelegger ebenso zügig möglich gewesen wäre, ist zweifelhaft.

Ob aus der Einigkeit der Koalitionäre, die ÖIAG umfassend zu reformieren, darüber hinaus so etwas wie eine Selbsterneuerung der Koalition erwachsen kann? Das so lange verweigerte Bekenntnis der Regierung zu ihrer Verantwortung für öffentliches Eigentum könnte das generell darniederliegende Ansehen der Politik heben, vorausgesetzt, die Arbeitsgruppe ÖIAG kann sich bis 2015 auf eine Reform einigen, in der die Interessen der Öffentlichkeit wirksam gewahrt werden und glaubhaft darstellbar vor den Interessen der Parteien rangieren. Die Konstruktion wird noch schwierig genug, aber weder eine parteipolitische Spielwiese noch ein Tempel privatisierter Selbsterneuerung, das sollte möglich sein. Und man hätte sich einer großen Altlast aus den Jahren 2000 bis 2006 entledigt. (Günter Traxler, DER STANDARD, 17.10.2014)